ev. Pfarrer Jörg Reichmann Pößneck

Kreuzweg Jesu Station 6 – Sterben

Schriftwort: Matthäus 27,50: „Jesus schrie noch einmal laut auf. Dann hauchte er den Geist aus.“

Besinnung zum Text:

Die Verurteilten hingen in ihren grotesken Stellungen stundenlang am Kreuz, bis der Tod eintrat. Die robusteren unter ihnen wohl auch tagelang. Schmerzen ohne Ende, die Atemnot durch die nach hinten oben gezerrten Arme, dazu die Hitze, der Durst, streunende Hunde, Ratten, Raben. Erst wenn der Kreislauf zusammenbrach, war es vorbei mit der Todesfolter. Die Wachen blieben bis zum Schluss, bis der Tod die Verurteilten geholt hatte. Der Tod als Erlösung von menschengemachter Qual und Schmerz. Die meisten Gaffer gingen nach einer Weile, weil es ihnen langweilig wurde. Selten nur blieben Angehörige in der Nähe der Hinrichtungsstätte. Sie konnten die Qualen nicht mit ansehen und fürchteten sich erkannt zu werden oder vor der Häme und der Niedertracht der Gaffer. Kamen sie dem Kreuz zu nahe, liefen sie Gefahr, selbst verhaftet zu werden. Eine ausweglos ohnmächtige Situation. Sie mussten dem Leiden zusehen, Stunde um Stunde. Damals standen sie in der Nähe des Kreuzes, soweit sie die Wachen eben heran ließen. Heute sitzen sie an Betten todkranker Menschen, denen sie nicht mehr helfen können, nur noch beistehen. Oder sie vegetieren in Elendsvierteln vor sich hin ohne Aussicht auf ein menschliches Leben. Und wie viele zittern in Bunkern nicht nur in Syrien, wenn die Bomben um sie herum einschlagen?

Womit wir in der Gegenwart sind.

Bildbetrachtung:

Dunkel, unfassbar, kalt. Was kommt da auf uns zu, wenn sich die Grenze des Lebens nähert auf dem Weg, von dem es heißt, dass ihn jeder allein gehen müsse? Das Geheimnis des Todes, wissenschaftlich beschrieben als das Aufhören aller Lebensfunktionen. Klingt genau so kalt. Das Leiden, die Qualen hören auf, so viel scheint sicher zu sein. Hoffen wir jedenfalls. Und neuerdings scheint der Tod genau aus diesem Grund zu einer Entscheidungsoption zu

(Collage: Privat – J.Reichmann)

werden für alle, zu deren Vorstellung eines schönen Lebens weder Leiden noch Schmerzen passen. „Selbstbestimmtes Sterben“ wird das voll tönend genannt. Trauer wird unnötig, denn er oder sie hat es ja so gewollt. Aber ist es nicht so: Die Endgültigkeit des Todes ist und bleibt erschreckend und belastend wie ein schwerer Stein. Es gibt nur ganz wenige gesunde Menschen, die dem eigenen Tod gegenüber wirklich angstfrei oder gleichgültig sein können. Ich kann mir diese Einstellung nur so erklären: Meist haben diese Menschen keine nahen Angehörigen oder haben nie etwas anderes gelernt, als ausschließlich an sich selbst zu denken. Denn besteht der Schrecken des Todes nicht vor allem auch darin, dass er das bisherige gemeinsame Leben unwiederbringlich zerreißt, indem er uns das Liebste nimmt, was wir haben? Und die Grenze ist unüberwindbar. An ihr endet unsere Vorstellungskraft. Aber an dieser Grenze entzündet sich auch unsere Hoffnung, wenn wir dem HERRN vertrauen können.

Bedenken wir in der Stille vor Gott, was uns selbst für Gedanken, Vorstellungen und Ängste ereilen, wenn wir an unser Lebensende denken oder an den Tod lieber Menschen. Bedenken wir weiterhin, was uns wirklich Trost und Hoffnung zu geben vermag.

Gebet:

Lasst uns beten für alle, die den Tod als Erlösung von ihrem Leid und ihren Schmerzen herbei sehnen.

Lasst uns beten für alle, die in diesen Stunden im Sterben liegen.

Lasst uns beten für alle, die Sterbende in ihren letzten Stunden begleiten, ohne ihnen helfen zu können.

Lasst uns beten für uns – um einen gnädigen Tod und eine Sterbestunde in Geborgenheit. Herr, erbarme dich!

Herr Jesus Christus, was du für uns erduldet hast, übersteigt unsere Vorstellungen. Bis heute werden wir schuldig an unseren Mitmenschen.

Herr, hilf uns zu leben als Brüder und Schwestern miteinander und füreinander .

Darum bitten wir dich, unseren geschundenen Bruder und auferstandenen Herrn, Jesus Christus, in der Gemeinschaft des Vaters und des Heiligen Geistes.

Beten wir das Vaterunser.

Vater unser im Himmel

geheiligt werde Dein Name

Dein Reich komme

Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden

Unser tägliches Brot gib uns heute

Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern

Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen

Denn Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit

in Ewigkeit

Amen

Es segne uns der allmächtige und barmherzige Gott, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist.

AMEN