von Pfarrer Jörg Reichmann Pößneck
Schriftwort: 1. Petrus 4, 10
Dient einander als gute Verwalter der vielfältigen Gnade Gottes, jeder mit der Gabe, die er empfangen hat. (Monatsspruch Mai)
Bild: Joachim Schäfer – <a href=“www.heiligenlexikon.de“>Ökumenisches Heiligenlexikon</a>
Liebe Schwestern und Brüder,
auch in unserer Gegend erfreut sich die Nacht zum 1. Mai zunehmender Beliebtheit: Die Walpurgisnacht. Und wäre da nicht dieses heimtückische Virus, gäbe es wieder ein rauschendes Fest in Schlettwein und anderswo. Nicht, dass ich falsch verstanden werde: Feiern und fröhlich sein gehört zum Leben, stärkt Gemeinschaft und macht Spaß. Nur leider hat dieses Fest wie so viele andere außer dem Namen nichts mehr mit dem zu tun, woran es eigentlich erinnern will: Nicht an irgendwelche magischen Rituale und Frauen mit angeblichen übernatürlichen Kräften, sondern ganz im Gegenteil: Der 1. Mai ist der Gedenktag der Heiligsprechung der Heiligen Walburga, auch Walpurgis genannt. Sie war Missionarin und brachte das Christentum im 8. Jahrhundert von England aus in das heidnische Gebiet der Deutschen. Als Tochter des Königs Richard kam sie mit dem Heiligen Bonifatius und ihren Brüdern in ein Gebiet, in dem die allermeisten Menschen keine Ahnung hatten vom christlichen Glauben. Kaum zu glauben – nach knapp 1300 Jahren sieht es wieder so aus. Die Feste gibt es noch, aber der Inhalt ist vergessen und wird ersetzt durch selbst Erfundenes. Ein kluger Mensch hat einmal gesagt: „Weist du dem Glauben die Tür, springt der Aberglaube zum Fenster herein.“
Walburga war eine sehr fromme und wohltätige Frau und wirkte bis zu ihrem Tod als Äbtissin verschiedener Klöster. Es lohnt sich, ihre Lebens- und Glaubensgeschichte einmal näher kennenzulernen (nachzulesen z.B. unter www.heiligenlexikon.de). Sie lebte die Worte des Apostels, die für uns zum Monatsspruch für den Mai 2020 ausgewählt wurden mit ihrer ganzen Person: Dient einander als gute Verwalter der vielfältigen Gnade Gottes, jeder mit der Gabe, die er empfangen hat. (1. Petrus 4, 10)
So verwundert es nicht, dass sie schon im Mittelalter eine der bekanntesten und am meisten verehrten Heiligen war. Bis heute wird sie als Patronin der Wöchnerinnen, Seeleute, Bauern und Haustiere verehrt, aber auch angerufen für das Gedeihen der Feldfrüchte und gegen Hungersnot und Missernte. Darüber hinaus hilft sie in der Volksfrömmigkeit gegen Hundebiss, Tollwut, Pest, Seuchen, Husten, Augenleiden und Sturm.
Mag man auch als nicht katholisch geprägter Christ der Heiligenverehrung eher kritisch gegenüberstehen – Walburga gehört zweifelsohne zur Reihe der einflussreichsten Frauen in der Geschichte des christlichen Glaubens in unserem Land.
In der gegenwärtigen Krise geraten wir immer mehr ins Nachdenken und suchen Halt und Orientierung. Wir fragen nach unseren Wurzeln. Ein Anlass, auch hinter den sicherlich unterhaltsamen, aber völlig haltlosen Mummenschanz zur Walpurgisnacht zu schauen. Dann können wir als Christen in besonderer Weise die Erfahrung machen, dass wir in der Vielfalt unserer Frömmigkeitsformen und Traditionen im Glauben an den auferstandenen Christus vereint sind und landauf, landab mit ganz ähnlichen schwierigen Problemen zu kämpfen haben. Gut, dass das Wort des Apostels eine Lösung vorschlägt: Dient einander als gute Verwalter der vielfältigen Gnade Gottes, jeder mit der Gabe, die er empfangen hat. Dazu brauchen wir Kraft und Mut und Geduld, um die wir unseren HERRN bitten.
Gebet:
HERR, unser Gott, Du Schöpfer des Lebens,
wir staunen immer wieder über Deinen Einfallsreichtum und Deine Lust an der Vielfalt.
Weite uns die Herzen, dass wir uns und unsere Mitmenschen als Deine geliebten Geschöpfe erkennen, um die Du Dich sorgst und für die Du uns Verantwortung überträgst.
Lehre uns, aus unserem Gegenüber die Gaben hervorzulocken, die Du ihm geschenkt hast und schenke uns Menschen, die das auch für uns tun.
Lass uns in Würde und gegenseitiger Achtung miteinander leben, was auch immer das Leben für uns an Herausforderungen bereithält – im Vertrauen zu Dir, dem auferstandenen HERRN und Bruder Jesus Christus.
Amen
Beten wir das Vaterunser:
Vater unser im Himmel
geheiligt werde Dein Name
Dein Reich komme
Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden
Unser tägliches Brot gib uns heute
Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern
Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen
Denn Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit
in Ewigkeit
Amen