von Pastorin Ute Thalmann, Krölpa

Der Sonntag erinnert im lateinischen Namen an den Eingangsvers der römischen Messe „Die Erde ist voll der Güte des Herrn (misericordias Domini). Der Himmel ist durch das Wort des Herrn gemacht.“(Psalm33,5b.6a) Im volkskirchlichen Verständnis sprechen Menschen vom „Hirtensonntag“. Gott bzw. Jesus selbst steht als „guter Hirte“, der für „seine Herde“ sorgt im Mittelpunkt der Feier. Modernen Menschen, die verantwortlich und bewusst ihr Leben gestalten und sich so auch einbringen in diese Welt, ja auch ihren Glauben dabei leben wollen, scheint das Bild antiquiert. Sie sehen sich nicht als „dumme Herdentiere“, ganz im Gegenteil, sie wollen auch als Christen ihrer Verantwortung gerecht werden. Und so fragen sich nicht wenige: Woran orientieren wir uns in dieser nicht planbaren – so ganz neuen – wechselvollen und herausfordernden Zeit? Denn es gibt keine Erfahrungen im jetzigen Pandemiefall. Immer mehr Menschen zweifeln, ob es auf die Dauer gut ist, sich nur den Gesetzen, die durch Mächtige bestimmt werden, natürlich auch im Blick auf Vorsichtsmaßnahmen, die dem Schutz von Menschenleben dienen sollen, zu unterwerfen. Wie können einzelne so über das Wohl und Wehe vieler Menschen entscheiden? Darum fordern sie eine breite Diskussionskultur in unserem Land ein – Austausch und Gespräche sind wichtig, um Schritte für die Zukunft festzulegen. Sicher geschieht das alles auch auf dem Hintergrund, dass die Sehnsucht nach mehr Freiheit und Mitbestimmung in der derzeitigen Situation bedrängend ist, dass Menschen an die Grenzen des für sie ertragbaren kommen. Was kann uns als Christen vom Glauben her in diesem Prozess als Orientierung hilfreich sein? Gibt es das überhaupt?

Der Predigttext für diesen Sonntag stellt Jesus selbst als Vorbild dar, dem Menschen nachfolgen können.

  1. Petr.2,21-25:

Christus hat für euch gelitten und euch ein Vorbild hinterlassen, dass ihr sollt nachfolgen seinen Fußtapfen; er, der keine Sünde getan hat und in dessen Mund sich kein Betrug fand; der, als er geschmäht wurde, die Schmähung nicht erwiderte, nicht drohte, als er litt, es aber dem anheimstellte, der gerecht richtet; der unsre Sünden selbst hinaufgetragen hat an seinem Leibe auf das Holz, damit wir, den Sünden abgestorben, der Gerechtigkeit leben.

Durch seine Wunden seid ihr heil geworden. Denn ihr wart wie irrende Schafe; aber ihr seid nun umgekehrt zu dem Hirten und Bischof eurer Seelen.

Geschrieben wurde dieser Brief Ende des 1. Jahrhunderts an christliche Gemeinden, ihre Mitglieder, zu denen auch Sklaven gehörten und deren Leiter, die von Staats wegen mit Benachteiligungen und Einschränkungen leben mussten, ja auch wegen ihrer Ansichten und ihrer Glaubenspraxis verfolgt wurden.

Wie kann ich heute diese Worte verstehen? Sie galten zuerst den Leidenden der damaligen Zeit – den Sklaven. Unfrei waren sie – äußerlich, angewiesen auf ihren Herrn, innerlich durch den Glauben aber frei. Sie waren eingeladen, in Jesus den zu sehen, der sie in ihrem Leiden versteht und begleitet, der sich nicht gegen Schmach und Ungerechtigkeit aufgelehnt hat, aber eben nicht um seiner selbst willen, sondern aus dem Vertrauen auf seinen Gott. Er begehrt nicht auf, um sein eigenes Leben zu retten, ganz im Gegenteil neigt er sich hinunter zu denen, die ausweglos leiden müssen und wendet sich so ihnen zu. Er lebt Mit-Leiden. Er übersieht sie nicht- die Leidenden – ganz im Gegenteil – er ist ihnen so ganz nahe. Insofern ist er Vorbild.

Was bedeutet, Jesu Fußtapfen heute zu folgen? Geht es da um stillschweigende Unterordnung unter Zustände und Systeme? Um Aushalten von Unrecht und Missbrauch?

Was macht ihn für uns zum Vorbild? Bereits die Psychoanalytikerin Margarete Mitscherlich (1917-2012) sagte „Vorbilder sind ein menschliches Urbedürfnis.“ Durch ihre Begabung, Überzeugung und Authentizität prägen und beeinflussen Vorbilder andere auf ihrem Weg. Wobei das nicht ausschließt, dass sie ehrlich mit eigenen Grenzen, Schwächen, ihrem Versagen und Schuld umgehen und anderen die Freiheit lassen, den eigenen Weg zu wagen. Der Schreiber des 1.Petrusbriefes lädt seine Leser – und so auch uns- ein, statt anderen Vorbildern – die nur auf den eigenen Vorteil schauen, Jesus- dem Vorbild im Glauben- auch in schwierigen Zeiten nachzufolgen. Dabei geht es weder um Perfektion und Vollkommenheit, noch um schweigendes Ertragen von Ungerechtigkeiten, sondern um unseren Weg im Vertrauen zu Gott, aus dem wir, bei aller Unvollkommenheit und allen Grenzen, die wir an uns tragen, Schritte in seinen Fußtapfen in die Zukunft wagen. Das bedeutet, eben nicht nur uns allein und unsere Bedürfnisse im Blick zu haben und einzuklagen, sondern auch die zu sehen und für sie einzutreten, die derzeit leiden müssen, weil sie krank und einsam sind. Rücksicht zu nehmen auf Menschen, die unter uns gefährdet sind oder auch in diesem Prozess dringend gebraucht werden und nicht ausfallen dürfen.

Wenn wir ehrlich sind vor uns selbst, dann spüren wir dann und wann, wie die „Pferde mit uns durchgehen“, wie die neue Situation des Abstand- halten – müssens auch auf uns einwirkt und wie das natürlich auch Gefahren und Verlockungen mit sich bringt, deren Konsequenzen wir bisher auch nicht ganz überschauen können. Auch aus diesem Grund ist ein Vorbild gut. Wer sich erinnert an seine Kindheit und Jugend, der hat sicher auch Vorbilder von damals vor Augen, die ihm in der jeweiligen Situation hilfreich waren, Anstöße gaben für Schritte in eine damals „unbekannte Welt“.

So auch heute. Vertrauen wir darauf, dass die Fußtapfen, die Jesus uns bietet in ein neues Leben führen. Vielleicht ein anderes, als das, was wir bereits kannten. Aber eines, das vom Füreinander und Miteinander getragen sein wird im Vertrauen auf Gott.

Oder wie es Eva Zeller auf ihre Weise poetisch sagt:

Was ich noch sagen wollte

Wenn ich dir

Einen Tip geben darf

Ich meine

Ich bitte dich

Um alles in der Welt

Und wider besseres Wissen:

Halte dich nicht schadlos

Zieh den Kürzeren

Laß dir etwas entgehen.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen trotz allem einen gesegneten Sonntag! Ute Thalmann, Pastorin