Dies ist der Tag, den der Herr macht;
Lasst uns freuen und fröhlich an ihm sein.
Der Herr ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden. Halleluja!
(Aus der Osterliturgie)

Zuerst ist da nur ein Ahnen, mitten in der Dämmerung. Die Nacht legt ein letztes Mal ihre langen Schatten übers Land. Unmerklich und sehr langsam steigt sie empor, zuerst ist nur ein schmaler Lichtstreifen am Horizont zu sehen, ein Hoffnungsschimmer. Mal um mal wird es heller – steigt die Sonne hinter den Hügeln hervor und legt alles in ein warmes, goldenes Licht. Die Welt sieht mit einem Mal ganz anders aus- strahlend – schön. Zuerst sind nur die Umrisse sichtbar, ein vages Erkennen – Bäume, Häuser, Türme, dann aber wird der Blick klarer – Details werden sichtbar. Und dann wird es offenbar: klar und deutlich steht es vor Augen.

Ein zweites, anderes Ostern feiern wir – ein Jahr Pandemie und Ausnahmezustand liegen hinter uns. Menschen waren herausgefordert – Junge und Alte, Kinder und Erwachsene, immer neu galt es sich auf Veränderungen einzustellen. „Up and down“ im Wechsel würden die Jüngeren sagen. Wie bei den Wellen eines Ozeans. Wer dem anschwimmen will, verbraucht schnell seine Kraft. Wer sich hineinbegeben hat, den haben die Wellen getragen, das erfordert Mut, denn ich muss loslassen, absehen davon, dass ich allein etwas bewirken könnte, darauf vertrauen, dass ich getragen werde und nicht untergehe. – In hoffnungsvoller Erwartung, dass diese Pandemie bald zu Ende sei, und in der Enttäuschung, sich immer wieder neu in Geduld üben zu müssen und sich auf Veränderungen, die nicht ausblieben, stets neu einzustellen, ist ein Jahr vergangen. Ein Jahr voller Wandlungen, Herausforderungen, ein Jahr, in dem wir aber auch gelernt haben, was Leben bedeutet und ausmacht: Dass nichts selbstverständlich ist und das wir, das, was wir bisher gelebt haben, vielleicht manchmal zu selbstverständlich genommen haben. Der eine oder andere ist – nicht nur durch eine überstandene Corona -Infektion- dankbarer geworden. Denn unser Leben – unser Zusammensein – Gemeinschaft und lebendige Beziehungen sind ein großes Geschenk, mit dem wir achtsam umgehen können und das wir dankbar erfahren. Noch immer bewegt uns dieses Auf und Ab. Wir sehen noch kein baldiges Ende vor uns, das macht es nicht einfacher, aber wir hoffen. Wir hoffen, auch über die nächste Welle zu kommen. Einiges haben wir so schon gemeinsam gemeistert. In Geduld und Rücksichtnahme, in Empathie und Aufmerksamkeit füreinander. In gegenseitiger Unterstützung konnte manches aufgefangen werden. Für unsere Jüngsten – für die Kinder und Jugendlichen war es schwer, für Familien, die Betreuung, Beschulung und die Arbeit daheim unter einen Hut bringen mussten, nicht weniger, aber auch für die Ältesten. „So etwas habe ich mein ganzes Leben noch nicht erlebt. Ich hoffe, dass wir am Ende dieses Jahres (wenn ich dann noch leben werde), es geschafft haben.“ sagte eine 92 Jahre alte Frau mit gebrochener Stimme am Telefon. „Das Schlimmste ist, dass keiner kommen kann, und einen niemand in die Arme schließt.“

Ganz still war es plötzlich im Raum geworden, als sich die Kinder des Kinderkreises nach langer Zeit letztes Jahr im Frühsommer zum ersten Mal wieder trafen. Auf die Frage, was jetzt sei, meinten sie: „Wir haben uns so lange nicht gesehen! Und jetzt sind wir wieder zusammen! Das ist so neu, so ungewohnt!“ Ein kleines Osterfest! Da verschlägt es mir erst mal die Sprache. Das kann ich gar nicht fassen mit all meinen Sinnen. Ostern – die Freude und das Leben zu feiern, die Gemeinschaft und Nähe noch mehr schätzen, kann ich, wenn ich Tiefen erfahren habe und auch Talsohlen überwinden konnte. Wenn ich gespürt habe, selbst wenn meine Hoffnung am Ende war, bin ich getragen. Wer diese Zeiten durchlebt hat, wird die kleinen Zeichen des Lebens umso dankbarer wahrnehmen und genießen können. So ist es auch, wenn wir in diesem Jahr Ostern miteinander – auf Abstand – und erneut anders feiern. Dieses Fest hat eine Vorgeschichte, die Leid, Schmerz und Traurigkeit aufnimmt. Davon erzählen auch die Passions- und Ostergeschichten der Bibel. Sie erzählen von der Trauer der Freunde Jesu, Frauen und Männer, die nach seinem Tod am Kreuz allein und ohne Hoffnung zurückblieben. Alle ihre Sehnsucht war mit Jesu Tod gestorben. Sie berichten, wie sie sich in ihrem Schmerz aufgemacht haben, um ihre Hoffnung zu begraben. Und dabei erleben sie etwas, was sie zuerst so sehr erschreckt, dass sie flüchten wollen. Die Botschaft von der Auferstehung. Dass der Tod nicht das letzte Wort hat, dass eben nicht alles aus und vorbei ist, dass Jesus auferstanden ist und lebt und ihnen begegnen wird. Frauen waren wohl die ersten, die das wahrnahmen. Ganz begreifen konnten sie es erst später, als sie dem Auferstandenen tatsächlich begegneten. Und so ist es vielleicht auch für manche heute, dass das Neue, das Unerwartete, das Unvertraute erst einmal Angst macht oder auch erschreckt, bevor Menschen fassen und begreifen, dass es ein neuer Anfang ist. Vielleicht ist es hilfreich, mit offenen Augen und Herzen zu sein in dieser Zeit. Die eigenen Vorstellungen einmal loszulassen und sich so „neu-gierig“ aufzumachen, um es zu entdecken – meist zeigt es sich in kleinen Dingen, in der Art, wie sich Menschen begegnen, wie sie miteinander sprechen und aufeinander hören. Vielleicht entdecken Sie auch an Altbekannten neue Seiten. Schade wäre es ja, wenn wir sie übersehen, weil wir durch unsere „Brille“ so ein vorgefasstes Bild voneinander haben. Aber auch in der Natur kann ich die Veränderungen spüren und sehen. Nach den schneereichen Winterwochen gibt es hier und da viel Buntes und Lebendiges zu entdecken und auch zu hören. Über all das kann ich staunen und mich freuen. Es sind Zeichen des neuen Lebens – Hoffnungszeichen. Und es sind Osterentdeckungen. Ich wünsche Ihnen Augen und Herzen, die dies wahrnehmen. Dass Sie fündig werden, nicht nur, wenn Sie Ostereier suchen, dass Sie für Ihr Leben erfahren und begreifen: „Der Herr ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden!“ Darum: „Lasst uns freuen und fröhlich sein!“

Wie das Licht am Ostermorgen,

so leuchte uns dein Segen, Gott.

Christus ist auferstanden:

Möge sein Frieden uns beflügeln

und seine Freude uns anrühren.

(aus einem irischen Segenswunsch)

Ein gesegnetes Osterfest 2021 wünscht Ihnen und Ihren Lieben

Ihre Ute Thalmann, Pastorin