von Pfarrer Jörg Reichmann Pößneck

Schriftwort: Lukas 24, 36 – 45

Während die beiden noch erzählten, stand plötzlich der Herr selbst mitten unter ihnen. Er grüßte sie: »Frieden sei mit euch!« 37 Sie erschraken und fürchteten sich; denn sie meinten, einen Geist zu sehen. 38 Aber er sagte: »Warum seid ihr so erschrocken? Warum kommen euch solche Gedanken? 39 Schaut mich doch an, meine Hände, meine Füße, dann erkennt ihr, dass ich es wirklich bin! Fasst mich an und überzeugt euch; ein Geist hat doch nicht Fleisch und Knochen wie ich!« 40 Während er das sagte, zeigte er ihnen seine Hände und seine Füße. 41 Als sie es in ihrer Freude und Verwunderung noch immer nicht fassen konnten, fragte er: »Habt ihr etwas zu essen hier?« 42 Da gaben sie ihm ein Stück gebratenen Fisch, 43 und er nahm es und aß es vor ihren Augen. Dann sagte er zu ihnen: »Als ich noch mit euch zusammen war, habe ich euch gesagt: ›Alles, was im Gesetz, in den Schriften der Propheten und in den Psalmen über mich steht, muss in Erfüllung gehen.‹« 45 Und er half ihnen, die Heiligen Schriften richtig zu verstehen.

Gedanken zum Text:

Liebe Schwestern und Brüder,

am Ostermontag ist der Emmausweg zwischen Ranis und Krölpa zu einer schönen ökumenischen Tradition geworden. Wir erinnern die Geschichte: Zwei Jünger aus Emmaus gingen betrübt in Begleitung eines Fremden den Weg von Jerusalem in ihr Heimatdorf. Als sie dort mit dem Fremden am Tisch saßen, brach er das Brot, und sie erkannten den auferstandenen Jesus. Danach sei der aber sofort wieder verschwunden und sie kehrten auf dem Absatz um, um die frohe Botschaft ihren Freunden in Jerusalem zu überbringen.

Petrus soll die beiden bei ihrer Ankunft gefragt haben, wie sie sich denn sicher sein könnten und sie sollten sich doch bitte erst einmal beruhigen. Es wäre schon aufregend genug, dass das Grab leer sei und man diesen Fall von Grabschändung wohl nie aufklären würde. Da waren sie ganz schnell still geworden.

An diesem Morgen im Jerusalemer Versteck der Jünger roch es nach gebratenem Fisch. Ja, der Meister war tot, die eigene Zukunft mehr als ungewiss, aber essen mussten sie trotzdem. Das Leben muss ja irgendwie weiter gehen. Einen großen Appetit hatten sie sicher nicht. Die Stimmung gedrückt, jetzt auch wieder bei den beiden Emmausgängern. Denn sie hatten die anderen nicht anstecken können mit ihrer Begeisterung. Und langsam stiegen auch in ihnen die kalten Zweifel wieder auf. Warum glaubte ihnen keiner?

Plötzlich stand der auferstandene Jesus leibhaftig mitten unter ihnen und grüßte sie: Friede sei mit euch! Was für ein Schreck! Auf alles waren sie gefasst, was ihre Lage verschlimmern würde – Verhaftung durch die Römer mit allen Folgen, aber das? Jesus, den sie am Kreuz hatten sterben sehen und dessen Grab ihnen auch kein Ort der Trauer mehr sein konnte – mitten unter ihnen? Das konnte nur ein Gespenst sein!

Wie lange wird es gedauert haben, bis sich der erste Jünger traute, Jesus anzufassen? Und fassen konnten sie es dann auch noch nicht. Der lähmende Schreck wandelte sich in ungläubiges Staunen. Erst als Jesus das menschliche Bedürfnis nach Essen zeigte, löste sich der Knoten. Wir brauchen nicht viel Phantasie um uns vorzustellen, dass es wiederum einige Zeit dauerte, bis die Jünger langsam zur Ruhe kamen.

Wie soll der Kopf auch zuhören können, wenn das Herz überläuft? Wenn der seelische Druck von Trauer und Angst und Ohnmacht ein Ventil findet? Noch besser endlich den einen findet, der alles auffangen kann, weil selbst der Tod ihm nichts mehr anhaben kann? Was für eine Befreiung, was für eine Erlösung! Und dann, nach dem reinigenden Gewitter der Gefühle, wenn die wärmende Sonne des Vertrauens und der Geborgenheit die Herzen erfüllt, dann ist auch Zeit und Gelegenheit für Erklärungen und Deutungen der erlebten Katastrophe: Lukas schreibt: Dann sagte er zu ihnen: »Als ich noch mit euch zusammen war, habe ich euch gesagt: ›Alles, was im Gesetz, in den Schriften der Propheten und in den Psalmen über mich steht, muss in Erfüllung gehen.‹« 45 Und er half ihnen, die Heiligen Schriften richtig zu verstehen.

Und wieder einmal wird unser aller Problem bewusst: Wir können das Leben nur vorwärts leben, aber nur rückwärts verstehen. Und selbst in der Rückschau bleibt uns vieles unverständlich – bis zum Ende der Zeit. Aber Jesus macht Hoffnung: Wir werden verstehen, wenn wir unseren Lebensweg wiederfinden in der großen Geschichte Gottes mit seiner Welt, zu der wir alle gehören. Wir werden verstehen, uns wird ein Licht aufgehen wie den Jüngern damals in Jerusalem. Auch wenn der auferstandene HERR nicht einfach bei uns reinplatzt. Aber wer weiß das schon?

In einem neueren Osterlied heißt es:

Manchmal feiern wir mitten im Tag
ein Fest der Auferstehung.
Stunden werden eingeschmolzen, und ein Glück ist da.

Manchmal feiern wir mitten im Wort
ein Fest der Auferstehung.
Sätze werden aufgebrochen, und ein Lied ist da.

Manchmal feiern wir mitten im Streit
ein Fest der Auferstehung.
Waffen werden umgeschmiedet, und ein Friede ist da.

Manchmal feiern wir mitten im Tun
ein Fest der Auferstehung.
Sperren werden übersprungen, und Sein Geist ist da.

Foto: Privat – J. Reichmann

Bildbetrachtung:

Dieses begehbare Kunstobjekt ist inspiriert vom Song „Yellow Submarine“ (Gelbes Unterseeboot). In der recht engen Kugel finden nur 2 -3 Personen Platz, die über die Trichter in verschiedene Richtungen lauschen können. Sich verstecken vor Gefahr. Abtauchen können – und gleichzeitig wie die Mannschaft eines U boots aufeinander angewiesen sein. Wenn einer einen Fehler macht, wird es für alle gefährlich. Und nicht jeder ist bereit, in solch einem Schiff für längere Zeit mitzufahren. Was für ein Bild für die gegenwärtige Situation mit ihren Herausforderungen! Ich denke, es kommt darauf an, was die Besatzung des gelben Unterseebootes über die Trichter zu hören bekommt. Eine Zeit lang mögen Durchhalteparolen und Anweisungen nützlich sein. Aber was sie unbedingt brauchen, sind klare Worte der Hoffnung und Zuversicht, dass ihre Reise einen Sinn hat und ein Ziel. Kurzfristig ist die Eindämmung der Virusverbreitung ein lebensrettendes Ziel und hat höchste Priorität. Das sieht fast jeder ein. Doch das Einsehen mit dem Verstand allein ist wie die Spitze des Eisbergs, die aus dem Wasser guckt. Unter Wasser sind die Angst, wohin das alles vielleicht doch noch führt, der Zweifel, wie das denn überhaupt weitergehen soll, wenn die Krise vorbei ist und vielleicht auch das Leid, das die Krise auslöst, wenn Menschen sich nicht mehr aus dem Weg gehen können.

Was wäre, wenn die Menschen im gelben Unterseeboot die Osterbotschaft ganz für sich persönlich hören könnten? So wie der Liederdichter Friedrich Hofmann in seinem Osterlied:

Ich hör die Botschaft: Jesus lebt! Herr, hilf, dass sich mein Herz erhebt aus Kummer, Zweifel, Angst und Leid! Mach es für Deinen Trost bereit!

Ich hör die Botschaft: Jesus lebt! Ihr Boten, die ihr Hoffnung gebt, führt mich zum Auferstandenen hin, dass ich bei ihm geborgen bin. Herr, steh mir bei!

Gebet:

HERR unser Gott, für jeden Lichtstrahl danken wir Dir im Dunkel der Geschichte, für jedes gute Wort im Lärm der Worte.

Wenn wir aufatmen, singen wir Dein Lob. Lass die Botschaft des Ostertages alle Tage erhellen, die vor uns liegen, was auch kommen mag.

HERR, alle im Staub, die Gedemütigten und die Hoffnungslosen, die Ängstlichen, die Beschuldigten, die Kranken und Sterbenden und

uns am Rande der Wege übergeben wir Dir, HERR, unserem Schöpfer. Halte unsere Welt, damit alle frei atmen können. Besiege alle, die auf Schrecken sinnen, auf beklemmende Dummheit. Besiege Bosheit und Tod. Amen

Beten wir das Vaterunser.

Vater unser im Himmel

geheiligt werde Dein Name

Dein Reich komme

Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden

Unser tägliches Brot gib uns heute

Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern

Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen

Denn Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit

in Ewigkeit

Amen

Es segne uns der allmächtige und barmherzige Gott, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist.

AMEN