von Pfarrer Jörg Reichmann Pößneck

Schriftwort: Lukas 24, 13 – 16

Am selben Tag gingen zwei von den Jüngern nach Emmaus, einem Dorf, das zwei Stunden von Jerusalem entfernt liegt. Unterwegs sprachen sie miteinander über alles, was in den zurückliegenden Tagen geschehen war; und während sie so miteinander redeten und sich Gedanken machten, trat Jesus selbst zu ihnen und schloss sich ihnen an. Doch es war, als würden ihnen die Augen zugehalten: Sie erkannten ihn nicht.

Besinnung:

Noch ganz unter dem Eindruck der Ereignisse machten sich die beiden auf den Weg – wohl in ihr Heimatdorf. Nur weg aus Jerusalem, wo vor drei Tagen ihr Meister qualvoll am Kreuz zu Tode gefoltert wurde und nun auch noch sein Grab leer war! Auferstanden von den Toten sollte er sein, hatten sie gehört. Das konnten sie nicht glauben. Schmerz und Trauer und Angst vor der Zukunft waren viel zu übermächtig. Da verschwanden sie lieber, diese beiden namenlosen Jünger, stapften mit schweren Schritten über den staubigen Wüstenpfad. Immerhin: sie sprachen miteinander, gingen nicht stumm nebeneinander her. Aber wie das oft in solchen Situationen so ist: Ihre Gedanken drehten sich im Kreis. Immer wieder blieben sie hängen an der Frage: Warum? Warum gerade er? Und warum nicht wenigstens ein Grab als Ort der Trauer? Wieso dieses leere Grab? Sollte der Schmerz nie aufhören? Und sie waren so sehr mit sich selbst beschäftigt mit ihren Erinnerungen und Überlegungen, wie es denn wohl weiter gehen könnte mit ihnen, dass sie diesen Fremden nicht erkannten, der sich ihnen irgendwann angeschlossen hatte. Trauer, Schmerz, Angst und Zukunftssorgen können blind machen. Man sieht nur noch stur auf den Weg gerade aus vor einem, nicht rechts noch links und schon gar nicht nach oben. Und dann war da in ihnen noch eine starke Sehnsucht – nach dem ganz normalen, vertrauten Alltag, in dem sie sich auskannten, mit Menschen, die ihnen vertraut waren – und zu denen wollten sie jetzt zuallererst. Der Fremde läuft mit, so, als wäre er gar nicht da.

 

Bildbetrachtung:

Da läuft einer, denkt man im ersten Moment. Erst auf den zweiten Blick fragt man sich: Täusche ich mich? Das ist doch eine Figur! Und tatsächlich: Diese Figur steht in einer uralten Nabatäersiedlung in der Wüste Negev in Israel. Jeder Besucher stutzt – und sehr viele fotografieren den Wanderer danach. Die künstlerische Idee ist gelungen: Plötzlich nehmen wir unsere Umgebung anders wahr. Eben noch mit uns selbst beschäftigt, mit unseren Gedanken und geprägt von unseren Vorstellungen, bekommen wir einen anderen Blick, weitet sich unser Horizont. Und die größtmögliche Horizonterweiterung ist Ostern. Der Tod ist besiegt, der HERR ist auferstanden. Das begriffen die beiden namenlosen Jünger erst ganz am Ende ihres Weges. Für uns heute ist dieser Weg nicht einfacher geworden. Wollen wir deshalb nach Ostern so schnell in unseren vertrauten Alltag zurück? Dabei wäre es doch gerade in diesem außergewöhnlichen Jahr so wichtig, sich immer wieder in den österlichen Horizont zu stellen!

Gebet:

HERR, du gehst unseren Weg mit, ob wir mit uns selbst beschäftigt sind, ob wir zweifeln oder auf der Suche sind nach Dir.

Darum trauen wir uns, auch unsere Fragen vor Dich zu bringen und unsere Zweifel. Und wir danken Dir, wenn Du uns spüren lässt:

Du bist der Lebendige für uns. In Dir hat unser Leben und unsere Welt ihr Ziel. Hilf uns, im Horizont Deiner Liebe zu leben – miteinander und füreinander.

Beten wir das Vaterunser:

Beten wir das Vaterunser.

Vater unser im Himmel

geheiligt werde Dein Name

Dein Reich komme

Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden

Unser tägliches Brot gib uns heute

Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern

Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen

Denn Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit

in Ewigkeit

Amen

Es segne uns der allmächtige und barmherzige Gott, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist.

AMEN