(Sprüche 31,8)
Füreinander eintreten – Sprachrohr für Summe und Benachteiligte in dieser Zeit werden – ja, sie zuerst einmal in meinen Blick zu bekommen- das scheint derzeit etwas in den Hintergrund zu treten. Auf die momentane Krise und extreme Situation der Pandemie scheinen Menschen, statt solidarisch zu sein, sich eher auf die eigenen Ansprüche, Bedürfnisse, Rechte und Freiheiten zurückzuziehen. Solche Reaktionen wirken auf das gesellschaftliche Miteinander. Und sie haben auch Folgen.
Und doch gibt es zahlreiche Aktionen, wo Menschen für andere eintreten – auf ihre Not aufmerksam machen, ihre Musik spielen, um Spenden bitten oder sie ganz einfach im Blick haben und für sie da sind. Zum Glück! Nicht nur Menschen in Ländern wie Brasilien oder Indien, sondern auch die Flüchtlinge, die erneut in kleinen Booten den Weg über das Mittelmeer antreten und die auf den Rettungsschiffen, die sie aufnehmen und sicher in einen europäischen Hafen bringen wollen. Auch die Menschen in Staaten, wo ihre Rechte nicht geachtet werden oder sie gar verfolgt und in Gefängnissen festgesetzt werden. Bis zu denen, die in nächster Nähe leben, deren Einsamkeit und Not wahrgenommen werden. Sie zeigen, dass ein Blickwechsel möglich ist – weg von mir selbst und meinen Ansprüchen, hin zu denen, die unter den Zuständen leiden und die auch teilweise übersehen und vergessen werden. Für manchen in der Öffentlichkeit bringt die Pandemie gerade wegen der Einschränkungen, die zu deren Überwindung dienen sollen, eine Möglichkeit über die Werte, die uns in einer Gesellschaft bestimmen, ins Gespräch zu kommen, um vielleicht für die Zukunft damit neue Wege des Miteianders zu ebnen.
Der Monatsspruch für den Mai lädt uns ein, unser eigenes Denken, Tun und Lassen zu reflektieren. Heinrich Bedford- Strohm beispielsweise rief in seiner Videoandacht dazu auf „… diejenigen wahrzunehmen, die nicht oder kaum an dem Wohlstand teilhaben, den Deutschland insgesamt genießt…“ und „… jetzt darauf zu achten, dass nicht noch mehr Menschen in Armut geraten…“(Quelle:youtube:bayernevangelisch)
Der Spruch für diesen Monat entstammt dem weisheitlichen Denken Israels, insbesondere der königlichen Weisheit, die in der Erziehung und lebenspraktischen Bildung der Verantwortungsträger der damaligen Zeit eine wichtige Rolle gespielt hat. Dabei ging es nicht um Gesetze oder absolute Wahrheiten, die ein für alle Mal eingehalten werden müssten, sondern um Erfahrungswissen, was einem glücklichen, sinnvollen und gelingenden Leben dient. Es spielte bereits vor Jahrhunderten für die Gestaltung des Miteinanders eine wichtige Rolle. Menschen wussten um die Lücken in den Gesetzen – ein Sozialsystem, wie wir es heute aus unserem Land kennen, gab es damals nicht. Sie waren vielmehr direkt aufeinander angewiesen – es gehörte zu den „Tugenden“, sich nicht abzugrenzen, sondern einander im Blick zu behalten und auch füreinander einzustehen – für die, die keine Stimme hatten damals- zum Beispiel Frauen, Kinder, Witwen und Waisen und für die, die in Not waren, wie Arme, Kranke oder Menschen, die durch ein Unglück alles verloren hatten und selbst keinen Fürsprecher besaßen. Die Brücke zum eigenen verantwortlichen Handeln bildete damals das Vertrauen in die „weisheitliche Tätigkeit JAHWES“ (www.bibelwissenschaft.de/ Info_weisheitsliteratur.doc, diozoese-linz.at), in eine allem zugrunde liegende, gute, von Gott gesetzte, Ordnung.
Auch wenn letzteres von der Mehrheit der Menschen heute nicht mehr so wahr- und angenommen wird, tragen wir ja – zumal in einer demokratischen Gesellschaft – Verantwortung für die Gestaltung des Lebens, ja wir haben sogar die Freiheit, daran mitzuwirken. Gläubige Menschen haben dabei biblische und andere Vorbilder, die wegweisend sein können. Christen sehen in Jesus selbst den, der diesen Weg beschritten hat. Geschichten aus dem Neuen Testament erzählen, wie er selbst sich für Stumme und Schwache seiner Zeit eingesetzt hat (z.B. Mk.7, 31-37/ Lk.9,10-17/Joh.19,25-27).
Erneure auch unser Herz
und gib uns den Geist
der Klarheit und des Muts
denn das Gesetz des Geistes
der uns lebendig macht in Christus
hat uns befreit
von dem Gesetz der Resignation
Lehre uns die Kraft
der kleinen Leute zu spüren
und keine Angst mehr zu haben
wenn wir widersprechen
Erneure auch unser Herz
und lass uns wieder miteinander reden
lehre uns zu teilen statt zu resignieren:
das Wasser und die Luft,
die Energie und die Vorräte
zeig uns, dass die Erde dir gehört
und darum schön ist
(Dorothee Sölle, Magazin Lebenshaus Schwäbische Alb)
Öffne deinen Mund für den Stummen, für das Recht aller Schwachen!
(Sprüche 31,8)
Eine Ermutigung für mich und für alle, die das in dieser Zeit in meiner Nähe, aber auch weltweit nötig haben, eine Ermutigung zu einem neuen Miteinander.
Ute Thalmann