Text: Psalm 24,7 (Herrnhuter Losung zum 23. November 2022)

Machet die Tore weit und die Türen in der Welt hoch, dass der König der Ehre einziehe!

Gedanken zum Text:

Wer kennt es nicht, das beliebte Adventslied „Macht hoch die Tür“? Unverkennbar hat der Dichter Georg Weissel im 17. Jahrhundert sich inspirieren lassen vom Text des 24. Psalms. So übertrug er die Aussage dieses uralten Glaubensliedes in seine Zeit. Um die Jahrhundertwende zum 18. Jahrhundert erhielt sein Text dann die Melodie, die uns bis heute ins Ohr geht und in den Adventsgottesdiensten sehr vieler Gemeinden zum festen Repertoire gehört. Ursprünglich ist der 24. Psalm ebenfalls als Gemeindelied gesungen worden – zu besonderen Festen, an denen es eine Wallfahrt zum Tempel in Jerusalem gab. Es ist sogar sehr gut möglich, dass uns im Text dieses Psalms ein Stück der gottesdienstlichen Fest – Liturgie jener Zeit erhalten geblieben ist, denn er erinnert an einen Wechselgesang mit Fragen und Antworten zum Lob und zur Ehre Gottes. Gefeiert wird der Einzug Gottes in SEIN Heiligtum, ER, der alles geschaffen hat, nimmt Wohnung bei den Menschen, mitten in ihrem unberechenbaren und oft so bedrückenden Leben, mitten in allen Sorgen und Herausforderungen. Wenn wir im Advent singen „Macht hoch die Tür“, dann tragen auch wir diese Sehnsucht und dieses Vertrauen in uns: Gott kommt auch zu uns. ER kommt in unsere Welt, die so anders ist als die im alten Israel, aber in der es immer noch die gleichen Nöte und Ängste der Menschen gibt. Die Menschen Israels bereiteten dem EWIGEN einen triumphalen Empfang und bereiteten sich ausgiebig vor, wie wir ebenfalls im Psalm lesen können. Die äußere Vorbereitung war auch wichtig, klar. Aber auf die innere kam es noch viel mehr an. Sie reinigten nicht nur die Häuser, sondern auch die Herzen. Von daher ist es leicht zu verstehen, dass auch die Adventszeit als Vorbereitungszeit auf die Christgeburt eine Besinnungs- und Fastenzeit ist, in der die Frage erlaubt sein darf: Wie sieht es aus mit unserer Festvorbereitung? Halten uns die „äußeren Dinge“ so in Atem, dass wir die innere Vorbereitung gar nicht m Blick behalten? Haben wir in allem Trubel überhaupt noch Zeit und Gelegenheit für Besinnung und Nachdenken über das, was unser Leben bestimmt und ob uns und den anderen das wirklich zum Guten dient? Denn erst dann können wir spüren, wie nahe uns Christus wirklich kommt und welche Kraft und welchen Mut zum Leben ER uns schenken möchte.

Foto: Privat (J. Reichmann)

Gedanken zum Bild:

Wenn Kinder den Himmel malen, strahlt meist eine kräftige Sonne auf dem Papier, umgeben von einigen kleinen blauen Wolken – blau deshalb, weil sie sonst auf dem weißen Bogen gar nicht zu sehen wären. In früheren Jahrhunderten waren es Erwachsene, die ihre „Bilder“ vom Himmel gemalt haben. Sie kennen bestimmt die Deckengestaltung in den Gewölben gotischer Kirchen, auf denen eine „Himmelswiese“ mit Lilien, Rosen und Erdbeeren zu sehen ist, den schönsten Blumen und süßesten Früchten des Mittelalters. Immer aber bleiben die Himmelsbilder zweidimensional – bis auf wenige Ausnahmen, wie sie die Baumeister eines berühmten Doms geschaffen haben: ein dreidimensionales Himmelsbild, gestaltet aus hinter und übereinander gestaffelten Steinbögen verschiedener Größe und Ausrichtung. Farbige Fenster in unterschiedlichen Höhen sorgen für Transparenz. Dennoch bleibt das Bild so wie der Himmel geheimnisvoll, da der Blick die verschiedenen Ebenen und Bogenreihen nur mit Mühe erfasst. Für Klarheit sorgen die Steinfiguren, die an entscheidenden Punkten des beeindruckenden architektonischen Kunstwerks stehen. Über allem, in der Spitze des Gewölbes, „schwebt“ der gekreuzigte Christus, der dem Betrachter eine Etage „weiter unten“ als Auferstandener aus dem „Himmelstor“ entgegen tritt. Insofern ist dieses Himmelsbild nicht nur durch seine räumliche Gestaltung etwas ganz besonderes, sondern auch durch seine klare adventliche Botschaft: Christus kommt zu uns Menschen in unsere Welt. ER ist es, der uns das Tor zum Himmel öffnet, wenn wir IHM unsere Tore weit und die Türen hoch machen.

Gebet:

HERR unser Gott, es ist dringend Zeit, dass DU kommst in unsere Welt, dass DEINE Liebe die kalten Herzen wärmt und DEIN Geist den Verstand befreit von Ratlosigkeit und zum klaren Denken und hilfreichen Entscheidungen beflügelt.

Barmherziger Gott, wir klagen DIR, dass so viele Menschen einander misstrauen, sich lieber ihre eigene Wahrheit erfinden als sich der Wirklichkeit zu stellen, dass die Ungewissheit der Zukunft zum Unfrieden führt in Worten und Taten.

HERR, unser Gott, hilf uns in allem Trubel der Zeit daran festzuhalten, dass DU uns näher kommst. Wir bitten DICH: Öffne unsere Augen und hilf uns zu sehen, was DU siehst: die Mächtigen, die die Welt beherrschen wollen – wie klein sie in Wahrheit sind in ihrem Denken und Handeln. Die Kleinen – mit welcher unverlierbaren Würde DU sie gesegnet hast.

Barmherziger Gott, stärke unser Vertrauen in DEINE Liebe und schenke uns DEINEN Blick auf uns Menschen, damit wir uns als DEINE Geschöpfe endlich auf Augenhöhe begegnen können. Schenke uns Geduld mit anderen und mit uns und wandle alles, was uns gelingt in Segen und auch das, was abgebrochen ist oder vergebliche Mühe war.

HERR, unser Gott, nach den Kriegen heute schaffe DU den Frieden, in dem sich die Gegner von einst einmal wieder in die Augen sehen können. Wir bitten DICH für alle, die unter die Räder kommen durch fremde oder eigene Schuld. Schenke DU die Bereitschaft zur Vergebung nach der Schuld im Kleinen und im Großen, damit Leben neu und miteinander gestaltet werden kann.

Barmherziger Gott, es ist dringend Zeit, dass DU in unsere Welt kommst, uns Mut und Kraft schenkst für den Weg DEINER Liebe, gerade jetzt in diesen Tagen des Advent und uns die Tür in DEINE Zukunft öffnest, die heute schon beginnt.

Erbarmender Gott, erhöre uns.

Amen.

Beten wir das Vaterunser:

Vater unser im Himmel

geheiligt werde Dein Name

Dein Reich komme

Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden

Unser tägliches Brot gib uns heute

Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern

Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen

Denn Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit.

Amen

Es segne uns der allmächtige und barmherzige Gott, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist.

AMEN