Text: Johannes 16,33 (Lehrtext der Herrnhuter Losungen vom 23. März 2022)

Jesus Christus spricht: „In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ICH habe die Welt überwunden.“


Gedanken zum Text:

Die nüchterne Feststellung Jesu trifft den Nagel auf den Kopf: „In der Welt habt ihr Angst;“ 30 Jahre lang, bis zum Ausbruch der Pandemie, war diese Angst zwar da, aber in unserem Land kein Gefühl, das die gesamte Gesellschaft erfasst hätte. Das hat sich grundlegend geändert. Sie hat durchaus verschiedene Gesichter, diese Angst. Aber sie ist allgegenwärtig. Wie tief sie sich inzwischen eingefressen hat in die Seelen der Menschen, wurde mir beim Einkaufen im bestbesuchten Supermarkt bewusst: Leere Regale, nicht nur beim Mehl, sondern auch wieder beim Toilettenpapier, genau wie vor zwei Jahren! Es gibt erneut Hamsterkäufe, um die Angst loszuwerden, oder wenigstens dieses bedrohliche Gefühl einzudämmen, gegen das man sonst annimmt, nichts tun zu können. Aber stimmt das wirklich? Sind wir der Angst ausgeliefert und schön dumm, wenn wir uns nicht auch bildlich (und mit Augenzwinkern) gesprochen einen „Schutzwall“ aus Mehltüten und Klopapierpackungen gegen die „böse Welt da draußen“ errichten? Nein, sagt Christus. Müsst ihr nicht mitmachen. Denn als Christen könnt ihr doch über den eigenen Tellerrand hinaus sehen, oder? Da seht ihr doch, dass Preistreiberei zwar ungerecht und ärgerlich und unverschämt ist, aber die Angst davor kaum zu vergleichen ist mit der Angst um das eigene Leben, das Leben der Familie, vor Zerstörung und Tod. Christen sollten einen weiten Horizont haben, in dem sie auch ihre Nächsten sehen: Menschen, die geflohen sind, weil sie die Angst in ihrer Heimat nicht mehr ausgehalten haben, die jetzt unsere Hilfe brauchen – und diese Hilfe ist ein wirksames Mittel – auch gegen unsere eigene Angst. Keine Angst, ich rede hier nicht einem unüberlegt hektischen Aktionismus das Wort, der nur verdrängen hilft. Ich spreche für die Nächstenliebe, die tief verwurzelt ist im Vertrauen in Gottes Liebe, die aus der Kraft der Gewissheit lebt, dass der selbst den Tod überwunden hat. ER ist auferstanden, das Leben siegt. Dieses Grundvertrauen löscht die Angst nicht einfach aus. Aber es weist ihr den Platz zu, der ihr gebührt: Als ein Gefühl unter vielen anderen, die uns Menschen bewegen – aber niemals mehr als Herrscherin über unser Gemüt. Denn es gibt nur einen HERRN, der uns den Weg zum Leben eröffnet.

 

 

Gedanken zum Bild:

Dieser Baum wurde zum Opfer einer Naturgewalt. Einer der letzten Stürme hat ihn förmlich auseinandergerissen. Der mächtige, bestimmt zehn Meter lange Hauptast mitsamt der Krone ist vom Zwiesel abwärts aus dem Stamm herausgebrochen und liegt quer über den Fußweg auf der angrenzenden Böschung. Die Ursache dieser Verstümmelung ist wohl ein Pilzbefall, der das Holz im Zwiesel morsch werden ließ. Der Baum ist alt, da passiert so etwas hin und wieder. Er wird bei dieser riesigen Wunde wohl kaum noch zu retten sein. Sicher, die vernarbt irgendwann. Aber schön ist der Anblick nicht und außerdem stellt der Baum in diesem Zustand möglicherweise eine Gefahr dar für die Fußgänger auf dem Weg. Also wird er wohl bald aus der Baumreihe „entfernt“ werden, die wie eine Allee den Weg säumt. Nur eine Lücke wird an ihn erinnern. Ließe man ihn stehen, wäre sein Leben trotz der hässlichen Narbe noch lange nicht zu Ende. Denn er hat sehr starke Wurzeln, die tief ins Erdreich greifen und ihm Halt und Kraft geben. Noch Jahrzehnte später könnte er in jedem Frühjahr neu ausschlagen. Denn auf die Wurzel kommt es an, auch im übertragenen Sinn. Wer tief im Vertrauen in Gottes Liebe verwurzelt ist, der kann auch schwere Stürme überstehen – nicht unverletzt, versteht sich, aber gehalten und gestärkt. Der kann lernen, mit den Narben der Wunden zu leben, die ihm das Leben geschlagen hat. Diese Erfahrung haben Menschen von Anfang an machen können. So ist es kaum verwunderlich, dass schon in der ältesten Schöpfungserzählung unserer Bibel vom „Baum des Lebens“ mitten im Paradies erzählt wird. Sehr berührend finde ich die Tradition armenischer Christen, auch das Kreuz Jesu als einen Lebensbaum darzustellen. Passt sehr gut, denke ich. Denndieser Sonntag trägt den Namen „Laetare“ – „Freut euch…“(nach dem Anfang des Wochenpsalms 84) und bringt mitten in der Fastenzeit schon einen kleinen „Vorgeschmack“ auf das Osterfest.

Gebet: In dieser Zeit beten wir besonders für den Frieden. Von daher sind die nachfolgenden Anregungen auch ähnlich denen seit dem 27. Februar. Bitte ergänzen Sie möglicherweise eigene Anliegen und Formulierungen.

HERR, unser Gott, himmlischer Vater, wir klagen DIR: Dieser furchtbare Krieg geht immer noch weiter und ein Ende ist nicht wirklich in Sicht. Wir bitten DICH für die Toten und Verwundeten und ihre Angehörigen, dass DU ihnen beistehst, den Hinterbliebenen Menschen an die Seite stellst, die helfen in aller Trostlosigkeit dieser sinnlosen Verluste. Hilf, dass der Krieg nicht ausufert und dass bald Frieden werde.

HERR, Jesus Christus, DU bist den Weg des Leidens gegangen. DU hast am eigenen Leib erlitten, wie grausam Menschen sein können. DU hast DEIN Leben gegeben, damit wir leben können. Mache uns bereit, DIR auf dem Weg der Liebe zu folgen und zu tun, was wir können, um füreinander da zu sein. Segne alle, die Menschen in Not Beistand leisten, auf welche Weise auch immer.

HERR, Heiliger Geist, Lüge und Ungerechtigkeit begleiten das Morden und Brandschatzen auch in diesem unseligen Krieg. Stärke den Mut all derer, die sich der Wahrheit und Gerechtigkeit verpflichtet haben und bereit sind, die Verfolgung zu ertragen.

HERR, Dreieiniger Gott, verändere das Denken und Handeln derer, die in dieser Welt verblendet sind von Macht und Habgier und schenke allen, die Verantwortung tragen, den Mut, sich einzusetzen für Gerechtigkeit und Chancengleichheit. Trockne die Tränen, vertreibe die Angst, wandle den Hass in Verständnis und gegenseitige Achtung. Eröffne uns allen DEINE Zukunft. Schenke uns DEIN Erbarmen, dass durch uns Menschen aufatmen können. Zeige uns, wo DU uns brauchst. Schenke uns Geduld und Ausdauer, Verständnis und Kraft.

Erbarmender Gott, lass DEIN Licht des Lebens leuchten, dass es hell werde um uns und durch uns im Vertrauen auf DEINE Liebe.

Amen

Beten wir das Vaterunser:

Vater unser im Himmel

geheiligt werde Dein Name

Dein Reich komme

Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden

Unser tägliches Brot gib uns heute

Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern

Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen

Denn Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit.

Amen

Es segne uns der allmächtige und barmherzige Gott, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist.

AMEN