Karwoche 2020 – Tägliche Andachten zum Kreuzweg Jesu – Palmsonntag
von Pfarrer Jörg Reichmann Pößneck
Einstimmung
Die Karwoche 2020 mitten in der Corona – Krise ist eine besonders nachdenklich stimmende Zeit. In täglichen Andachten zum Kreuzweg Jesu lade ich Sie ein, den Weg unseres HERRN Jesus Christus ans Kreuz zu bedenken. Ich möchte dabei im Blick behalten, dass die Corona Seuche zwar zurzeit die Nachrichten und viele unserer Gedanken bestimmt, aber dass wir in einem viel weiteren Horizont leben dürfen. Unser Blick geht über uns hinaus und erkennt auch andere und anderes um uns herum, lässt Raum für Mitgefühl und Mitmenschlichkeit. Denn jede und jeder von uns kennt aus eigenem Erleben Augenblicke, die wir durchkreuztes Leben nennen müssen. Ausweglose Momente, Endpunkte einer Entwicklung, die mit uns geschieht, die wir erdulden müssen, ohne wirklich etwas dagegen halten zu können. All diese Tiefen und Ängste haben in den Andachten ihren Platz. Wir können sie dem HERRN gegenüber beim Namen nennen. Die Bild – Collagen mögen wie die Texte uns Anregungen und Hilfe geben. In jeder Andacht verbinden wir uns zum gemeinsamen Gebet, das Sie natürlich auch gern durch persönliche Anliegen erweitern können. Ich lade Sie ein, am Ende jeder Andacht das Vaterunser zu beten, das Gebet des HERRN, das alle Christen auf der Welt mit ihm und miteinander verbindet.
Ich wünsche Ihnen eine besinnliche Karwoche – bleiben Sie behütet
Ihr J. Reichmann, ev. Pfarrer in Pößneck
Kreuzweg Jesu Station 1 – Verurteilung
Schriftwort: Johannes 19,16: „Da übergab er ihnen Jesus zur Kreuzigung.“
Besinnung zum Text : Der Evangelist Johannes schließt mit diesen knappen Worten seinen Bericht über den Schauprozess, den der römische Statthalter Pontius Pilatus an Jesus aus Nazareth vollzog. „Da übergab er ihnen Jesus zur Kreuzigung.“ Möglicherweise wortlos fiel das Urteil, nur der Daumen der rechten Hand des Statthalters nach unten. Viel mehr Mühe wird es sich nicht gemacht haben, denn es waren einfach zu viele, die er hinrichten ließ, um mit brutaler Gewalt jedem Aufstandsversuch gegen die römische Herrschaft im Keim zu ersticken. Aus seiner Sicht eh alles Terroristen, die Einheimischen. Möglicherweise brach sich sein Hass auf dieses kleine Volk der Juden aber auch Bahn in wüsten Schimpftiraden und böser Hetze während der Urteilsverkündung. Wissen wir nicht, weil sich der Evangelist Johannes wider besseren Wissens und dennoch nach Kräften bemüht, das Bild des Pilatus weich zu zeichnen. Denn es wäre einem Selbstmordversuch gleichgekommen, zu seiner Zeit am Ende des ersten Jahrhunderts einen hohen römischen Staatsbeamten in einer christlichen Schrift wahrheitsgemäß als menschenverachtendes Scheusal zu beschreiben. Pilatus war kalt, hartherzig und grausam, wie alle machtversessenen Despoten bis heute. Und bis heute überlebt nicht lang, wer ihnen das in ihrem Machtbereich ins Gesicht sagt.
Womit wir in der Gegenwart sind:
Bildbetrachtung:
Der da in der Mitte, der bunte Vogel da, der sich wohl für was ganz besonderes hält, jedenfalls als was viel besseres als die da unten, der von sich denkt, dass er das Recht hat, andere Menschen zu verurteilen, der spricht es aus: Das muss doch mal gesagt werden dürfen! Ans Kreuz mit dem! Vor Gericht mit denen von der Regierung! Zurück mit denen in ihre Länder!
Die müssen weg! Die haben hier nichts zu suchen! Was können wir denn dafür, wenn bei denen Krieg ist oder Hunger herrscht oder die Leute keine Chance auf ein gutes Leben haben! Sollen die doch anderswo hingehen oder lieber
gleich dort bleiben! Mechanisch unterschreibt die Hand das Urteil. Der Mensch dazu bleibt unsichtbar. Keine Spur von Menschlichkeit. Und die Frau an der Seite hat die Hände im Schoß. Sie kann nichts dagegen tun, einfach gar nichts. Der da im Hintergrund, um den es eigentlich geht, was geht dem durch Kopf und Herz? Der Bunte will es auf keinen Fall wissen. Lieber versteckt er sich hinter seiner Maske.
Wie schnell sind wir oft mit unserem Urteil und wie unbarmherzig? Wie oft fehlt es uns an Mitgefühl für die Opfer von Überheblichkeit und Dreistigkeit? Und was macht das mit uns, wenn wir plötzlich der Willkür anderer ausgeliefert sind? Jede und jeder von uns kennt solche Situationen und fürchtet sich davor, geht ihnen nach Möglichkeit aus dem, Weg.
Jesus konnte seinem menschlichen Richter nicht aus dem Weg gehen. Seine Feinde ließen ihm keine Chance. Sie wussten: Pontius Pilatus war der „Richter Gnadenlos“, der niemals zögerte, wenn es um Leben und Tod ging.
Gott sei Dank, das kommt bei uns nur sehr selten vor. Aber was tun wir dagegen, dass sich die Spirale der Gewalt immer schneller und immer höher dreht – in den Konflikten, mit und in denen wir leben müssen? Was halten wir von dem alten Sprichwort: „Der Klügere gibt nach.“?
Bedenken wir in der Stille vor Gott, wer oder was uns immer wieder zu schaffen macht und klagen ihm, was uns hindert, in allem Zwist den anderen als Mitmenschen zu sehen, der genau so wie wir selbst auf die Vergebung Gottes angewiesen ist.
Gebet:
Lasst uns beten für alle, die auf dieser Welt auch heute noch zum Tode verurteilt werden.
Lasst uns beten für alle, die in unserer Welt in politischen Schauprozessen verurteilt wurden und immer noch verurteilt werden.
Lasst uns beten für alle, die sich um faire Prozesse und gerechte Urteile bemühen.
Lasst uns beten für uns, dass wir die Konflikte unseres Lebens als Aufgaben erkennen, an denen wir wachsen können.
Lasst uns beten für uns, dass wir unseren Mitmenschen gerecht werden und selbst keine vorschnellen Urteile fällen. – Herr erbarme dich!
Beten wir das Vaterunser.
Vater unser im Himmel
geheiligt werde Dein Name
Dein Reich komme
Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden
Unser tägliches Brot gib uns heute
Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern
Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen
Denn Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit
in Ewigkeit
Amen
Es segne uns der allmächtige und barmherzige Gott, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist.
AMEN
Hier die weiteren Stationen: