Text: Markus 16, 8

Da flohen die Frauen aus dem Grab und liefen davon. Sie zitterten vor Angst und sagten niemandem etwas, so sehr fürchteten sie sich.

Ostern ist doch ein fröhliches Fest, oder? Der Sieg des Lebens über den Tod ist doch Grund zur Freude! Aber warum konnten sich die Frauen nicht freuen, als der Engel zu ihnen sprach? Weshalb flohen sie Hals über Kopf und brachten auch später noch kein Wort heraus? Aber ehrlich: Wie wäre es uns ergangen an ihrer Stelle? Wären wir nicht auch zutiefst erschrocken, wenn die Abfolge von Leben und Tod so fundamental durchbrochen und auf den Kopf gestellt wird? Wenn Gottes Macht die vertrauten Abläufe durchbricht, wanken die Grundfesten, da gerät die Welt aus den Fugen. Da protestiert unser „gesunder Menschenverstand“. Angesichts des Todes können wir nichts mehr machen, das ist unsere Erfahrung. Aber für Gott ist etwas zu machen. Ostern heißt: Wo uns alles aus der Hand genommen ist, hat der EWIGE selbst das Heft in die Hand genommen. Die österliche Botschaft, dass am Ende nicht der Tod steht, sondern das Leben, ist eine zutiefst verstörende Überraschung, deren befreiende Wirkung ihre Zeit braucht – und Hoffnungsmenschen, die Boten, die wie der Engel in der Grabhöhle an den Tiefpunkten des Lebens die Menschen ansprechen, ihnen auf ihre Art erzählen von ihrem Vertrauen in die Gewissheit, dass Gottes Liebe sogar stärker ist als der Tod. Kann sein, dass diese Boten nicht gleich verstanden werden. Denn das Gefühl der Hilflosigkeit ist zäh und verengt den Blick auf das, was unserer Erfahrung entspricht. Doch in gesegneten Augenblicken kann dieser Nebelschleier aufreißen und plötzlich geht der Horizont der Liebe Gottes über uns auf, ganz weit, und leuchtet bis in unseren Alltag hinein. In diesem Alltag sind die entsetzten Frauen nach einiger Zeit wieder angekommen – so wie es uns nach den Festtagen viel schneller ergeht. Doch diesen Alltag erlebten sie nun immer deutlicher in einem anderen, im österlichen Licht, weil sie erkannten, dass der tot geglaubte HERR durch alle Höhen und Tiefen ihres Lebens mitgeht. So wurden sie zu Menschen, die in der Hoffnung leben, die ER schenkt und die sie weiter schenken an andere Menschen. Etwas davon haben wir alle in den letzten Wochen erleben können: Menschen, die uneigennützig geholfen haben, Kriegsflüchtlinge bei sich aufgenommen, Möbel oder Alltagsgegenstände zur Verfügung gestellt haben und vieles, vieles mehr. Ein Osterlicht der lebendigen Hoffnung, das in den Karfreitag hineinleuchtet, in den viele gestürzt wurden. Lasst uns Hoffnungsmenschen sein in dieser scheinbar so trostlosen Zeit. Denn der HERR ist auferstanden. ER ist wahrhaftig auferstanden.

Andacht zum Sonntag Quasimodogeniti (Wie die neugeborenen Kinder...), 24. 4. 2022

Foto privat (J. Reichmann)

Gedanken zum Bild:

Ostern ist vorbei, der Alltag hat uns wieder. Also wieder alles wie immer? Moment mal, sagt die gute alte Tradition der Kirche und nennt den ersten Sonntag nach Ostern mit dem lateinischen Namen „Quasimodogeniti“ – „wie die neugeborenen Kindlein“. Denn mit Ostern ist alles für uns neu geworden, im Leben und Sterben, wenn wir Christus vertrauen. Das hört sich zunächst einmal sehr theoretisch an. Deshalb dieses Bild: Eine Bank am Wegesrand unter einem blühenden Baum – ein schöner Ort für eine kurze Rast, einen Moment des Innehaltens. Er lädt ein, nicht einfach weiterzugehen, sondern wahrzunehmen und zu staunen, so wie es die neugeborenen Kinder tun, wenn sie die Welt entdecken. Wir können mit offenen Augen und weitem Herzen und erwachsenem Verstand in dieser Schönheit die Spur Gottes in unserer Welt wiedererkennen. Und nicht nur an solchen Orten. In einem Lied heißt es:

Wir haben Gottes Spuren festgestellt
auf unsern Menschenstraßen, Liebe und Wärme in der kalten Welt, Hoffnung, die wir fast vergaßen. Ref.: Zeichen und Wunder sahen wir geschehn in längst vergangnen Tagen, Gott wird auch unsre Wege gehn, uns durch das Leben tragen.

Blühende Bäume haben wir gesehn, wo niemand sie vermutet, Sklaven, die durch das Wasser gehn, das die Herren überflutet.
Bettler und Lahme sahen wir beim Tanz,
hörten wie Stumme sprachen, durch tote Fensterhöhlen kam ein Glanz, Strahlen die die Nacht durchbrachen.
(Text: Diethard Zils 1978, nach dem französischen „Nous avons
vu les pas de notre Dieu“ Melodie: Jo Akepsimas 1973). Genau diese Spuren Gottes sind es, die unserer Hoffnung neue Kraft geben, damit wir sie weiter schenken können in dieser Zeit.