„Ihr sät viel und bringt wenig ein; ihr esst und werdet doch nicht satt; ihr trinkt und bleibt doch durstig, ihr kleidet euch, und keinem wird warm; und wer Geld verdient, der legt`s in einen löchrigen Beutel.“ (Haggai 1,6)
Kontrastprogramm zu dem, was uns vor Augen ist, wenn wir bald in unseren Gemeinden Erntedank feiern, zu dem, was das Foto eingefangen hat. Beim genauen Lesen und Hinhören merken wir: Da stimmt doch etwas nicht! Viel Einsatz bringt wenig Frucht, Menschen essen und werden nicht satt, sie trinken und bleiben durstig, es gibt einen Überfluss an Kleidung, aber Menschen spüren dennoch Kälte und das Geld zerrinnt zwischen den Fingern.
Vor 2500 Jahren kamen Israeliten aus dem Exil aus Babylon in ihre Heimat und nach Jerusalem zurück. Der Tempel, ja die ganze Stadt – lagen in Schutt und Asche. Zudem war eine Dürre vorausgegangen, nichts war gewachsen. Menschen hungerten, sie hatten nicht genügend Wohnraum, eine Teuerung war übers Land gekommen. Viele hatten sich auf das eigene besonnen – das eigene Häuschen zu bauen, sich recht und schlecht einzurichten. In solche Situation geht das Wort des Propheten: Baut Gottes Haus – den Tempel- wieder auf! Sucht seine Nähe, hört auf sein Wort! Nicht bei allen stieß es auf offene Ohren. Die Not war groß – wieso dann den Tempel bauen- das war ein teures Unterfangen- wichtig war es doch – zuerst für das eigene Auskommen zu sorgen!
Auch wenn wir heute in unserem Land keine Not leiden, wie zur Zeit des Propheten Haggai, so scheint doch manchen das Gefühl der Vergeblichkeit umzutreiben. Menschen leisten viel, denn es wird viel von ihnen abverlangt, aber der Ertrag scheint in keinem Verhältnis dazu zu stehen. Es gibt in unserem Land genug zu essen und zu trinken, aber der Überfluss macht nicht satt. Menschen haben „Hunger“ nach anderem, Menschen haben Sehnsucht, und nicht nur in Coronazeiten. Und obgleich wir uns mindestens vier Mal im Jahr nach neuen Moden kleiden könnten, besteht Kälte – Kälte zwischen Menschen, vor der auch der noch so teure Mantel nicht schützen kann.
Was würde der Prophet den Menschen von heute raten? „Besinnt euch auf andere Werte – auf ein menschliches Miteinander, auf Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung.“ Für andere klingt vielleicht seine Stimme ganz ähnlich wie damals: „Sucht Gottes Nähe, gebt ihm Raum in euch, lest in der Bibel, hört auf sein Wort!“ Oder „Nehmt ihn ernst für euer Leben und verlasst euch nicht nur auf eure eigenen Möglichkeiten, verfolgt nicht nur eure eigenen Ziele!“ „Nehmt wahr, was er euch anvertraut, welche neuen Wege er euch weist- und verfolgt sie mit Mut!“
Dann trägt euer Einsatz Frucht, dann macht euer Tun Sinn, nicht nur für euch, sondern für alle und alles. Das schenkt Wärme, gibt Geborgenheit und lässt dankbar werden auch für die kleinen Dinge, die uns heute mitunter so selbstverständlich daherkommen, wie beispielsweise die Erntedankgaben auf unserem Foto.
Ute Thalmann, Pastorin