Text: Psalm 113, 5-7 (Herrnhuter Losung zum
14.8.2022)
Wer ist dem HERRN gleich, unserem Gott, der
hoch droben thront, der tief hinunterschaut auf
Himmel und Erde! Der aus dem Staub den Ge-
ringen aufrichtet.
Gedanken zum Text:
„Wer ist dem HERRN gleich…“, so fragt der
Beter des Psalms. Er hat dabei nicht Menschen
im Blick, sondern zuallererst die „anderen Göt-
ter“, die in der Umwelt des Volkes Israel meist
mit großem Pomp verehrt wurden. Mit denen
stand der Gott Israels auch in den Augen SEI-
NES Volkes immer in Konkurrenz, weil ER
eben SEINE Macht nicht zeigte in gewonnenen
Kriegen oder anderen augenfälligen Ereignis-
sen. Da fiel es schwer, IHN als den HERRN
der Welt zu glauben. „Religiöse Konkurrenz“
ist in unseren Breiten kein Thema (mehr) oder
sollte es zumindest nicht sein. Denn wir leben
in einer Welt, in der alle gläubigen Menschen
als seltsam betrachtet werden, wenn sie die
rückhaltlose Verehrung des Geldes und der
Selbstsucht in allen Lebensbereichen wenigs-
tens infrage stellen. Wir hören das Psalmwort
heute entsprechend: „Wer ist dem HERRN
gleich…“- o ja, da ist sie wieder, die Versu-
chung, sich wie Gott zu fühlen oder gar aufzu-
führen, sich allen anderen überlegen zu glauben
und sie den langen Arm der eigenen Macht
spüren zu lassen. Das ist längst nicht nur ver-
breitet in den höchsten Kreisen. Das geht schon
bei den Jüngsten im Kindergarten los, wenn da
einer in der Gruppe immer den Chef spielt und
einen anderen drangsaliert. Es setzt sich unter
anderem fort in Nachbarschaftsstreitereien, in
denen sofort das „schwere Geschütz“ aufgefah-
ren wird, statt freundlich über den Zaun mitein-
ander die Sache zu klären. Der Gipfel des Gan-
zen sind machtberauschte Politiker, die ohne
jeden Skrupel für ihre Ziele über Leichenberge
gehen, wie wir es gerade wieder einmal an ver-
schiedenen Orten unserer geschundenen Welt
erleben müssen. Macht macht süchtig nach
mehr Macht, nach Allmacht, von „oben herab“
zu schauen auf die anderen, die „ganz tief“ un-
ter einem zu sein scheinen, wo man sie garnicht mehr so richtig sehen kann. Gott ist da
ganz anders. ER sieht „von ganz oben“ auch
die, die im Staub, am Boden liegen. Die Ohn-
mächtigen, die Opfer der Mächtigen, die Ent-
rechteten, die Enttäuschten, die Traurigen und
Verzweifelten. ER sieht sie nicht nur, ER rich-
tet sie auf, wie uns der Beter des Psalms erin-
nert. Sehen und Aufrichten, das können auch
wir mit Gottes Hilfe – im Rahmen unserer
Möglichkeiten und Grenzen. Das macht uns
keinesfalls Gott gleich – aber zu SEINEN
glaubwürdigen Schülern.
Die Dürre lastet auf dem Land – und dennoch
gibt es auch das noch: eine kleine Quelle, aus
der immer noch Wasser entspringt. Ein schönes
Bild, gerade in diesen Tagen. Aber was kann
schon eine Quelle ausrichten gegen die Tro-
ckenheit, die Pflanzen und zunehmend auch
Tieren immer mehr zusetzt? Liefert sie nicht
nur den berühmten „Tropfen auf den heißen
Stein“? Im Großen und Ganzen betrachtet, tro-
cken und realistisch, ist das so, ohne Zweifel.
Aber vielleicht ist diese Betrachtungsweise
vom Großen und Ganzen hier auch gar nicht
angemessen. Denn sie wertet ab statt zu würdi-
gen. Diese kleine Quelle sprudelt. Wo ihr Was-
ser auftrifft, ist das Gras grün. Wo es hinfließt,
da steht sogar ein großer Baum mit saftig grü-
nen Blättern. Diesen Pflanzen in ihrer Nähe
Wasser zu geben, das kann doch auch die Be-
stimmung dieser Quelle inmitten der Dürre
sein, oder? Mehr braucht es nicht und mehr
kann sie auch nicht. Aber das genügt, weil es
Leben möglich macht in ihrer Nähe. Mir ist
dieser Gedanke wichtig, weil er hilft, vom läh-
menden „da kann man nichts machen“ weg zu
kommen, das ich immer wieder höre und
manchmal sogar selber denke. Sicher wachsen
die Sorgenberge im Moment bei sehr vielen
Menschen schneller, als sie je gedacht hätten.
Sie erzählen davon und bei manchen habe ich
den Eindruck, sie erhoffen sich damit irgendei-
ne Art der Unterstützung. Ein Geheimrezept,
das alles wieder gut macht, die Dürre endgültig
beseitigt, wird niemand haben. Aber ehrlich zu
fragen: „Was genau kann ich jetzt für dich
tun?“ Das ist möglich und kann zur kleinen
Quelle werden, wenn es denn getan wird.