11. 9. 2022
Text: Römerbrief 14, 19 (Lehrtext zum 15. 9. 2022)
Paulus schreibt: Lasst uns dem nachstreben, was zum Frieden dient und zur Erbauung untereinander.
Gedanken zum Text:
Ach, Paulus, du hast ja so recht! Erinnere uns nur, worauf es wirklich ankommt, gerade dann, wenn das Leben seine raue Seite zeigt. Da liegt uns nämlich das Beharren, das Recht haben wollen, die Schuldzuweisung und der Verriss viel näher als die Sorge um den Frieden oder gar um die „Erbauung untereinander“, wie es wohlklingend altertümlich in der Lutherübersetzung heißt. Das ist unsere menschliche Natur. Das war zu deiner Zeit auch nicht anders, auch in den christlichen Gemeinden, selbst in der Welthauptstadt Rom, stimmt´s, Paulus? Damals ging´s ums Essen. Was darf der gute Christ essen und was nicht. Muss er die Speisegebote der Thora einhalten, darf er das Fleisch von Opfertieren für andere Götter, das preiswert zu haben war, zu sich nehmen? Diese „Probleme“ möchten wir haben, denken bestimmt nicht wenige Menschen heute in den Kirchen und Gemeinden. Aber halt! Kennen wir diese Diskussionen nicht auch? Sicher, die Thora – Speisegebote wieder zu beachten ist für die meisten Christen kein Thema. Aber ob nun Ernährung mit oder ohne Fleisch, alles unbedingt Bio oder Hauptsache, es schmeckt – das gerät immer öfter zur grundsätzlichen, scheinbar heilsentscheidenden Bekenntnisfrage. Danke, Paulus, dass du die römischen Christen zu deiner Zeit und auch uns heute vor diesem gefährlichen Irrtum bewahren möchtest, indem du sie und uns erinnerst: Was wir essen, ist eben nicht heilsentscheidend und wird auch immer so verschieden sein, wie wir geprägt sind und was für Ernährungsmöglichkeiten wir haben. Die Vielfalt unserer Ansichten – längst nicht nur in diesem Punkt – ist immer eine Herausforderung für das Zusammenleben, wie wir gerade auch in der gegenwärtigen Krise deutlich spüren, in der bei ziemlich vielen Menschen die Nerven blank zu liegen scheinen. Dem nachzustreben, was zum Frieden dient, heißt da ganz konkret sich an einen Tisch zu setzen, einander zuzuhören und zu sagen, was zu sagen ist: Stärkende Worte, Mut machende Ideen, hoffnungsvolle Gedanken, oder auch ein sanfter Trost – gespeist aus einem tiefen Gottvertrauen kommen – kurz: alles, was der Erbauung untereinander dient.
Gedanken zum Bild:
Brücken verbinden Orte und Menschen, lassen sie auf direktem Weg zueinander kommen, überwinden Hindernisse ohne mühsame Umwege – kurz: Sie sind eine sehr praktische Erfindung, die das Leben erheblich erleichtern. Mehr noch: Eine Brücke ist auch ein sehr starkes, sofort verständliches Symbol. „Brücken“ im übertragenen Sinn sind für das Zusammenleben unerlässlich. Denn oft genug sind wir auf sie angewiesen, wenn wir die Menschen verstehen wollen, mit denen wir den Lebensraum und die Lebenszeit teilen. Das beginnt bereits bei unseren Familien und Verwandten und erst recht bei Bekannten oder Unbekannten. Menschen, die als „Brückenbauer“ wirken, braucht es gerade in unserer Gegenwart so sehr wie lange nicht mehr, denn so viele igeln sich inzwischen am „Ufer“ der eigenen Meinung, der eigenen Weltsicht und der eigenen Sorgen ein, bis die Verbindung zu den „anderen Ansichten“ ganz abzureißen droht. Natürlich haben es die „Brückenbauer“ nicht immer leicht. Einerseits werden sie sehr geschätzt von denen, die bereit sind, die Brücke von sich aus auch zu betreten. Bei den anderen müssen sie sich mitunter Belehrungen, Spott und Hohn gefallen lassen. Denn was nützt die schönste Brücke, wenn sie nicht betreten wird oder jeder nur an „seinem Ufer“ verharrt – und darauf wartet, dass der andere da drüben den ersten Schritt macht? Klar, es braucht etwas Überwindung und Mut für den ersten Schritt aufeinander zu und es kann auch sein, dass sich der Jubel auf „der anderen Seite“ in Grenzen hält. Aber dass es Brücken für ein gelingendes Zusammenleben nicht nur in den Gemeinden braucht, steht außer Frage. Diese zu bauen und zu erhalten ist unsere Aufgabe als Kirchen und Christen.