Text: Lukas 12,15 (Lehrtext der Herrnhuter Losungen zum Erntedankfest 2022)

Jesus Christus spricht: Seht zu und hütet euch vor aller Habgier; denn niemand lebt davon, dass er viele Güter hat.

Gedanken zum Text:

Das letzte Viertel des Jahres beginnt. Die Ernte ist eingebracht und traditionell feiern wir in der evangelischen Kirche das Erntedankfest. Das gegenwärtige Krisenjahr bildet da keine Ausnahme. Aber was gibt es da zu danken? Bleibt einem bei der aktuellen Situation und den vielen Befürchtungen vor der unmittelbaren Zukunft nicht der Dank im Hals stecken? Protest scheint doch viel eher angesagt zu sein, um auf die ernste Lage hinzuweisen und wirkungsvolle Maßnahmen gegen Preistreiberei und Wucher zu fordern, oder? Denn auch diejenigen, die weniger demonstrierfreudig sind, kennen nach meinem Eindruck bald kein anderes Gesprächsthema mehr. Ich werde immer öfter komisch angeguckt, wenn ich einwerfe: Wir sollten in allem Sorgen und Bangen nicht vergessen: Vergleichbar dramatische Not wie in vielen Ländern der Zweidrittelwelt gibt es bei uns nicht. Auch die Menschen in der Landwirtschaft haben ihr Möglichstes getan und trotz des „Dürresommers“ die Ernte eingebracht. Das sind für mich echte Gründe zum Danken. Hören mir die anderen noch zu, fahre ich fort: Ich tue mich auch sehr schwer, in die allgemeine Politikerschelte einzustimmen. Denn die Ursache unserer Krise liegt tiefer, im menschlichen Wesen und wird von Jesus klar benannt, wenn ER sagt: „Seht zu und hütet euch vor aller Habgier!“ Deshalb wurde die Habgier in alten Zeiten zu den „sieben Todsünden“ gezählt, die eine Teilhabe am ewigen Leben grundsätzlich ausschlossen. Da das ewige Leben nur noch ganz wenige interessiert, störte sich auch kaum einer mehr daran, bis sie in diesem Jahr in der beängstigenden „Preisexplosion“ ausuferte. „Wohlstandsverlust“ heißt das Schreckgespenst konkret mit Namen, das die Habgier heraufbeschworen hat und das jetzt sein Unwesen in den Gedanken und Gefühlen vieler Menschen treibt. Wer sich davor schützen will, braucht den hilfreichen Blick und das erlösende Wort von außen. Ein Wort, wie es nur Jesus sagen kann: „Hütet euch vor aller Habgier! Denn das Leben eines Menschen hängt nicht von seinem Wohlstand ab.“ (Neue Genfer Übersetzung zur Stelle) Wirkliches, erfülltes Leben hängt nicht vom Wohlstand ab, sagt Jesus. Ist es nicht so, dass Menschen in anderen Ländern mit viel weniger Wohlstand als bei uns, oft viel herzlicher, aufgeschlossener und solidarischer zusammenleben als wir? Hängt „Leben“ wirklich nur ab vom Wohlstand? Danke, Jesus, dass DU uns die Augen öffnest und die Herzen weitest!

 

Foto: Privat (J. Reichmann)

Gedanken zum Bild:

Was sehen Sie zuerst auf diesem Bild, liebe Andachtleser? Die dunklen Wolken über der finsteren Landschaft, das ruhige Wasser im Vordergrund oder den blauen Himmel mit den von der Sonne hell angestrahlten kleinen Wölkchen? Warum ich Sie das frage? Ist es nicht so: Es kommt immer ganz darauf an, was ich sehen will, nicht nur bei diesem Bild. Das stimmt sogar im Bezug auf das ganze Leben. Ich kann mich entscheiden, ob ich grundsätzlicher „Schwarzseher“ sein will oder ob mir die feinen Unterschiede wichtig sind oder ob ich trotz der sprichwörtlichen „dunklen Wolken“ am Himmel sehe, dass der größte Teil des Himmels in wunderschönem Blau leuchtet. Zugegeben: „Schwarzsehen“ steckt sehr schnell an, besonders wenn bestimmte Kräfte bewusst Ängste und Befürchtungen anstacheln. Wie kann es da gelingen, trotz der real vorhandenen „schwarzen Wolken“ den blauen Himmel trotzdem nicht aus dem Blick zu verlieren? Dazu braucht es zuallererst Gottvertrauen. Das Vertrauen, dass es keine gottlose Zeit gibt, auch wenn viele Gott aus ganz verschiedenen Gründen einfach „vergessen“ haben. Die Hoffnung ist, dass das Gottvertrauen auch im guten Sinne „ansteckend“ sein kann. Das kann geschehen, wenn uns Christenmenschen anzumerken und durch unser Reden und Handeln zu erleben ist, dass wir in allem Wirrwarr dieser Welt getrost und getröstet unterwegs sind. Denn schließlich hat unser HERR SEIN Versprechen gegeben: „Seid gewiss: ICH bin jeden Tag bei euch, bis zum Ende der Welt.“ (Mt 28,20, Neue Genfer Übersetzung)

Erntedank – Gebet:

HERR unser Gott, wir haben viele Gründe, DIR zu danken, DU Schöpfer des Lebens. Die Schönheit unserer Welt ist einmalig, von der Weite des Meeres bis zu den Höhen der Berge und die Vielzahl DEINER Geschöpfe übersteigt unsere Vorstellungskraft.

HERR, unser Gott, wir danken DIR, dass trotz aller Herausforderungen in diesem Jahr im Ganzen gesehen eine gute Ernte eingebracht werden konnte und die Natur sich nach dem ersten Regen wieder so schnell erholen konnte. DU füllst unsere Hände mit Gaben, zu unserer Freude und zum Teilen mit unseren Nächsten.

HERR, unser Gott, wir danken DIR für die Menschen, die mit uns durch das Leben gehen, die uns begegnen, mit denen wir uns verbunden fühlen. Wir danken DIR für jedes gute, hoffnungsvolle Wort, für das geduldige Zuhören, für jeden Trost und jede Stärkung in diesen aufgeregten und verunsicherten Zeiten.

HERR, unser Gott, wir danken DIR für die Momente, in denen wir zur Ruhe kommen können. Für die Augenblicke, in denen DU uns Gedanken und Einsichten schenkst, die über unseren Alltag hinausweisen, die uns beleben und befreien durch DEINEN Geist.

HERR, unser Gott, wir danken DIR von Herzen, dass DU auch in diesem Jahr DEINE schützenden Hände über uns gehalten hast, dass DU uns bewahrt hast vor Katastrophen und wir bitten DICH, bleibe bei uns mit DEINER Liebe und DEINER Hoffnung.

HERR, unser Gott, für die Kranken bitten wir DICH um DEINE Nähe und für die Sterbenden, dass DU ihnen entgegen gehst auf ihrem letzten Weg. Tröste die Trauernden und lehre uns alle, dass wir unsere Lebenszeit als DEIN wertvolles Geschenk in Ehren halten.

HERR, unser Gott, befreie uns aus Angst und Resignation mit DEINER Liebe, die uns Hoffnung schenkt auf eine Welt voller Gerechtigkeit und Frieden, damit wir zu träumen wagen von DEINEM Reich, in dem keine Träne mehr geweint werden wird und Schmerz und Leid ein Ende haben.

Erbarmender Gott, erhöre uns.

Amen.