Text: Hiob 2, 11+13 (Herrnhuter Losung zum 16. Mai)

Als die drei Freunde Hiobs all das Unglück hörten, das über ihn gekommen war, kamen sie und saßen mit ihm auf der Erde sieben Tage und sieben Nächte und redeten nichts mit ihm; denn sie sahen, dass der Schmerz sehr groß war.

Gedanken zum Text:

Reden ist nicht gleich reden und schweigen ist nicht gleich schweigen. Es gibt ein Reden, das wahr ist, gut und notwendig. Das schafft Klarheit, ist hilfreich und baut auf. Und es gibt ein Reden, das unwahr ist, ungut und verwirrend – allen voran die Kriegspropaganda. Aber auch überall dort, wo Menschen durch Worte manipuliert werden oder wo jeder meint, seinen Senf (oder besser: Kommentar) dazu geben zu müssen. Aber auch die „klassischen“ Sticheleien und Gerüchte können viel Unheil anrichten. Reden kann zutiefst verletzen. Besonders dann, wenn die Besucher im Krankenzimmer über den Kranken reden statt mit ihm. Oder wenn sie einfach nicht aufhören zu reden, ihn „volltexten“ mit ihrem Gerede über alles und nichts. Nicht für umsonst heißt das Sprichwort: „Reden ist Silber, schweigen ist Gold.“ Mancher mag es noch kennen – aber wer hält sich dran in unserer redseligen Zeit? Da hat doch der, der nichts sagt, verloren, oder? Dabei kann das Schweigen sogar Leben retten, ganz konkret heute im Jahr 2022 in Russland. Lieber nichts gesagt als 15 Jahre Straflager in der unendlichen Weite Sibiriens mit ungewisser Wiederkehr. Schweigen kann retten, so erzählt es uns auch die Geschichte von den Freunden Hiobs. Die reden nicht, sondern hören von anderen vom Unglück, das über ihren Freund hereingebrochen ist. Gleich kommen sie zu ihm – und reden wieder nicht, sondern setzen sich zu ihm – nicht nur für fünf Minuten, sondern für eine lange Zeit der Trauer. Sie reden immer noch nicht, denn erst jetzt erfassen sie wirklich, sehen das ganze Ausmaß dessen, was ihm geschah. So ist Hiob nicht allein in seinem Unglück und hat den Raum zum Weinen und Klagen. Den Bedrängten, den Unglücklichen Raum zu geben, was auch immer sie bedrückt und sich Zeit für sie zu nehmen, das war und ist ein entscheidendes Kennzeichen der christlichen Gemeinden von Anfang an. Gut, dass gerade in unserer Gegenwart sich viele Christen dieser Aufgabe stellen. Worte wird es dann irgendwann auch geben, sicher. Sie sind wahr, gut und notwendig, wenn sie von Herz zu Herz im Geist Gottes gesprochen werden.

 

Andacht zum Sonntag Kantate,15. 5. 2022

 

Gedanken zum Bild:

Ein Baumstumpf am Wegesrand, auf dem ein Pilz wächst. Zugegeben, es gibt „schönere“, farbenprächtigere Bilder im Frühling. Aber ist es nicht oft das Unscheinbare, das eher wenig Attraktive, das leicht zu Übersehende, in dem ein Geheimnis erkennbar wird, wie in diesem Baumstumpf mit Pilz? Zeigt er uns nicht, wie alles mit allem verbunden ist und nichts verloren geht in der Natur? Dass auch dieser Pilz das Lied der Schöpfung singt, sich ernährt vom Holz des toten Baumes und selber auch wieder Nahrung bietet für andere? Nichts geht verloren in Gottes Schöpfung. Einstein erkannte darin sogar ein Naturgesetz – den Satz von der Erhaltung der Energie. Wir Menschen sind Teil der Schöpfung. Also gilt dieser Satz für uns auch. Auch wir können nicht verloren gehen, wenn unsere Zeit des Lebens vorbei ist. Macht das nicht Mut, den alten Verheißungen zu vertrauen, die uns einen Ausblick schenken, weil sie von Gottes Ewigkeit erzählen? Bekommt da nicht die Seele Flügel und beginnt zu singen? In einem bekannten evangelischen Kirchenlied von Paul Gerhardt, gedichtet fünf Jahre nach dem Ende des dreißigjährigen Krieges, heißt es:

Du meine Seele singe, wohl auf und singe schön dem, welchem alle Dinge zu Dienst und Willen stehn. Ich will den HERREN droben hier preisen auf der Erd; ich will IHN herzlich loben, so lang ich leben werd.

Wohl dem, der einzig schauet nach Jakobs Gott und Heil! Wer dem sich anvertrauet, der hat das beste Teil, das höchste Gut erlesen, den schönsten Schatz geliebt; sein Herz und ganzes Wesen bleibt ewig ungetrübt.

Hier sind die treuen Sinnen, die niemand Unrecht tun, all denen Gutes gönnen, die in der Treu beruhn. Gott hält SEIN Wort mit Freuden, und was ER spricht, geschicht; und wer Gewalt muss leiden, den schützt ER im Gericht.

Gebet: Die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland lädt ein zum ökumenischen Friedensgebet, an dem sich alle Christengemeinden beteiligen können. Formuliert wurde es von einer römischen Katholischen Ordensschwester aus Kenia, die in Deutschland in der Krankenhausseelsorge arbeitet. Hier der Text zum Mitbeten und gern auch Weitergeben:

Gütiger Gott, wir sehnen uns danach,
miteinander in Frieden zu leben. Wenn Egoismus und Ungerechtigkeit überhandnehmen, wenn Gewalt zwischen Menschen ausbricht, wenn Versöhnung nicht möglich erscheint, bist DU es, der uns Hoffnung auf Frieden schenkt.

Wenn Unterschiede in Sprache, Kultur oder Glauben uns vergessen lassen, dass wir DEINE Geschöpfe sind und
dass DU uns die Schöpfung als gemeinsame Heimat anvertraut hast, bist DU es, der uns Hoffnung auf Frieden schenkt.

Wenn Menschen gegen Menschen ausgespielt werden, wenn Macht ausgenutzt wird, um andere auszubeuten, wenn Tatsachen verdreht werden, um andere zu täuschen, bist DU es,
der uns Hoffnung auf Frieden schenkt.

Lehre uns, gerecht und fürsorglich miteinander umzugehen und der Korruption zu widerstehen. Schenke uns mutige Frauen und Männer, die die Wunden heilen, die Hass und Gewalt
an Leib und Seele hinterlassen.

Lass uns die richtigen Worte, Gesten und Mittel finden, um den Frieden zu fördern. In welcher Sprache wir DICH auch als
„Fürst des Friedens“ bekennen, lass unsere Stimmen laut vernehmbar sein gegen Gewalt und gegen Unrecht.