Die zwölfte Station: Jesus stirbt am Kreuz

Schriftwort: Johannes 3, 14b + 15 (Wochenspruch)

Der Menschensohn muss erhöht werden, damit alle, die an ihn glauben, das ewige Leben haben.

Gedanken zum Text

Höhen und Tiefen gibt es in jedem menschlichen Leben – und oft liegen sie nur ganz kurze Zeit auseinander. Die letzten Lebenstage Jesu sind ein eindrückliches Beispiel dafür: Als der Gesalbte des Höchsten, wie ein König wird ER mit großem Jubel der Massen in Jerusalem empfangen, so schreiben die Evangelien. Palmwedel werden geschwenkt, wie ein Teppich ausgebreitete Obergewänder schützen IHN vor dem Staub des Weges. Höher kann ein Mensch kaum steigen im Ansehen seiner Mitmenschen. Dass die römischen Sicherheitskräfte das Treiben argwöhnisch beobachteten, dürfen wir sicher annehmen. Unmittelbar danach ein Stück Alltag: SEINE Jünger und ER tauchen ein in das Gewimmel der Menschen in der Stadt, die sich auf das größte Fest des Jahres vorbereitet. Plötzlich taucht ER wieder auf, im Tempel, wo ER die gewohnten Abläufe und vor allem das lohnende Geschäft im Vorhof empfindlich stört. Jetzt steht ER endgültig im Fokus der Sicherheitskräfte. Nach außen hin ist noch alles normal, das Festessen am Sederabend wird gebührend vorbereitet. Aber es liegt bereits eine unheilvolle Spannung in der Luft, die sich nur wenige Stunden später Schlag auf Schlag entladen soll:

Verrat, Verhaftung, Verhöre und Folter die ganze Nacht lang, morgens der Schauprozess mit bezahlten Schreihälsen im Publikum, das Todesurteil und am selben Tag noch die öffentliche Hinrichtung am Schandmal des Kreuzes. Tiefer kann ein Mensch nicht fallen in den Augen seiner Mitmenschen.

Dass dieser abgrundtiefe Fall unverzichtbar war für das nachfolgende Wunder, wurde den Christen erst geraume Zeit später bewusst. Erst, als sie das Leben und Sterben Jesu im österlichen Licht sehen konnten, dämmerte ihnen, welches Wunder da geschehen war. Der Evangelist Johannes gehört wahrscheinlich zur vierten Generation der Christen. Er kann es ganz knapp und präzise beschreiben: Der Menschensohn muss erhöht werden, damit alle, die an ihn glauben, das ewige Leben haben.

Grafik: J.Reichmann

Gedanken zum Bild:

Die Henker leisten ganze Arbeit. Sie hieven den Querbalken mit dem Verurteilten daran am Längsbalken hoch. Sie hängen den Querbalken ein in den Haken des Längsbalkens. Sie verdrehen den Körper Jesu so, dass sie sein Gesäß auf das schmale Sitzbrett pressen können. Sie drehen die Beine seitlich zum Längsbalken übereinander und nageln sie an mit einem einzigen riesigen Nagel durch beide Knöchelgelenke. Langsam soll der Tod kommen, ganz langsam. Die nach hinten oben gezerrten Arme erschweren die Atmung. Dazu die Erschöpfung nach der Folter, die Tageshitze.Und plötzlich, so um die sechste Stunde Jesu am Kreuz, wird es Nacht mitten am Tag. Die Sonne verfinstert sich zunehmend. Die Schaulustigen sind längst gegangen. Nur die Wache steht noch da und in einiger Entfernung Jesu Mutter, seine beste Freundin und sein bester Freund. Da hören wir vom Kreuz die Stimme Jesu: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Eli, Eli, lama `azavthani?! Und dann greift die Stille des Todes nach den Herzen der Menschen.

Der Moment des Todes, Geheimnis im eiskalten Schauer für die Weiterlebenden. Bis zum Ende bleiben nicht viele, weichen lieber aus, drängen die Gewissheit des eigenen Todes beiseite. Früher war es üblich, dass sich oft sogar die ganze Familie am Sterbebett versammelte, oder dass der Mensch wenigstens in seinen vertrauten vier Wänden sterben konnte. Das gibt es heute oft nicht mehr. Immer mehr Menschen sterben in Krankenhäusern oder Pflegeheimen. Der Tod ist nur noch interessant, wenn das Sterben spektakulär ist wie auf der Autobahn. Aber was kann es für den sterbenden Menschen für ein Liebesdienst sein, wenn er oder sie gewiss sein kann: Auch wenn ich diesen Weg gehen muss: Ich bin nicht allein. Ein lieber Mensch ist mit im Raum. Ich kann seine Nähe spüren, auch wenn nichts mehr geht, außer die Hand zu halten. Und der da am Kreuz stirbt, ist Jesus Christus, Gottes Sohn. Heißt das denn nicht, dass Christus auch unseren allerletzten Weg mitgeht? Dass wir diesen Weg nicht allein gehen müssen, wenn wir ihm vertrauen können?

Gebet:

HERR, unser Gott, hab Dank, dass DU DICH zeigst unter uns Menschen. Wir bitten DICH: Lass uns DEIN Angesicht auch entdecken in denen, die fragen und klagen, verbittert sind und verstört.

HERR, lass uns erkennen, dass DU handeln willst in Schritten, die wir auf Menschen zugehen, die nach DIR rufen und durch unsere Hände, die wir denen reichen, die Hilfe brauchen.

HERR, wir bitten DICH, nimm in DEINE Hände, was uns belastet und hindert, DIR zu vertrauen – die Angst und das Misstrauen, die dunklen Gedanken.

HERR, wir bitten um DEIN Erbarmen für alle Menschen, die in Krankheit oder Alter auf den Tod zugehen. Schenke ihnen die Kraft, zu klären und anzusprechen, was ihnen den Weg erschwert.

HERR, hilf uns, in denen, die leiden und in denen die sterben unsere Schwestern und Brüder zu erkennen, die mit uns auf dem Weg in DEINE Ewigkeit sind.

HERR, wir danken für alle Menschen, die die Kraft haben, den Sterbenden bis zum letzten Augenblick ihres Lebens beizustehen. Amen

Erbarmender Gott, erhöre uns. Amen

Beten wir das Vaterunser:

Vater unser im Himmel

geheiligt werde Dein Name

Dein Reich komme

Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden

Unser tägliches Brot gib uns heute

Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern

Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen

Denn Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit

in Ewigkeit.

Amen

Es segne uns der allmächtige und barmherzige Gott, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist.

AMEN