Von ev. Pfarrer Jörg Reichmann, Pößneck
Schriftwort: Psalm 71,5
»DU bist meine Zuversicht, HERR, mein Gott,
meine Hoffnung von meiner Jugend an.«
Liebe Schwestern und Brüder!
Jubilate! Jubelt, Lobet ihr Völker unseren Gott! So heißt es im 66. Psalm, der zum 3. Sonntag nach Ostern gebetet wird. Auch sonst ist das Lob Gottes in den Gottesdiensten aller Gemeinden ein wesentlicher Schwerpunkt. Aber wie sieht es damit im täglichen Leben aus? Und gerade jetzt in dieser Krisenzeit?
Bei Kurt Tucholsky findet sich der Satz: „Der Mensch hat zwei Beine und zwei Überzeugungen: eine, wenn’s ihm gut geht, und eine, wenn’s ihm schlecht geht. Die letztere heißt Religion.“ Oder bildhafter ausgedrückt: „Mit der Kirche (dem Glauben) ist es wie mit der Feuerwehr. Gut zu wissen, dass es sie gibt. Aber noch besser, wenn man sie nicht braucht.“ Wieso also Gott loben, wenn einem im Alltag nicht allzu viel dazu einfällt? Oder ganz im Gegenteil: Viel zu vieles einfällt, was einem schon den Gedanken an das Gotteslob unmöglich zu machen scheint?
Wer loben und preisen will, der muss sich erst einmal das Herz und die Sinne erleichtern, durchatmen und die Last ablegen können. Wie das gehen kann? Auch wieder ein alter Spruch aus der Volksweisheit, der es auf den Punkt bringt: „Not lehrt beten.“
Das ist ein Spruch, in dem sich die Lebens- und Glaubenserfahrung von Generationen widerspiegelt. Ja, es ist wahr, dass Menschen ihre Klage und ihre Bitten in der Not vor Gott bringen und oft Halt und Stärkung erfahren, zur Ruhe finden und neuen Mut für ihr Leben fassen können. Dennoch bleiben Fragen offen: Wie groß muss die „Not“ sein, dass sie die Menschen das Beten lehrt? Und was empfinden die Leute als „Not“? Vor knapp 32 Jahren waren die Kirchen voll, als die DDR ihre letzten Wochen und Tage erlebte. Die Menschen hatten zurecht Angst vor einem Gewaltausbruch des untergehenden Staates und sammelten sich zu Friedensgebeten. Es gab Gott sei´s gedankt nur ganz wenige Verletzte und keinen Toten zu beklagen. Manche sagen, ich soll nicht immer von früher erzählen. Finde ich aber wichtig – und außerdem ist das ganz normal, wenn man älter wird. Dabei ist mir allerdings die Sichtweise des Beters unseres Psalmverses wichtig: „Du bist meine Zuversicht, HERR, mein Gott, meine Hoffnung von meiner Jugend an.“ Von früher zu erzählen als einer Geschichte von Hoffnung, Zuversicht und Bewahrung, darauf kommt es an, nicht nur in der persönlichen Lebensgeschichte. Denn diese ist immer auch verbunden mit der Geschichte meiner Mitmenschen, sogar mit der meiner Vorfahren, auch wenn mir das im Alltag kaum bewusst ist.
Ja, es ist eine große Not, dass die Pandemie viele tausende schwer krank gemacht hat und leider auch schon tausende Tote zu beklagen sind. Und diese Not lehrt beten, unbedingt. Sie führt zum Gebet in allen seinen Formen: Zum Bitten um Zuversicht und Hoffnung, um Trost und
Foto: Privat (J.Reichmann)
Beistand für die Erkrankten und die Angehörigen der Verstorbenen, ja für die Verstorbenen selbst, dass sie geborgen seien in Gottes Ewigkeit. Zur Klage über die Hartnäckigkeit des Virus und die Angst vor Ansteckung oder einen schweren Krankheitsverlauf, über die Anstrengung und die Schattenseiten des Lockdowns für die Familien, über die Einsamkeit der Menschen vor allem in den Pflegeheimen. Aber auch zum Dank für alles, was den Schaden begrenzen kann und vor allem für die Menschen, die sich unermüdlich um die Erkrankten kümmern in den Krankenhäusern und Heimen. Und natürlich auch für alles erwachende Leben in der Natur, das unseren Alltag schöner macht.
Ihnen fallen bestimmt noch viel mehr Anlässe und Gründe für ein Gebet in dieser Zeit ein, da bin ich mir sicher. Wir beten anders als vor gut 30 Jahren, als die Gotteshäuser die vielen Menschen kaum fassen konnten. Aber wir wissen uns auch ohne „Präsenzveranstaltungen“ verbunden mit unseren Mitchristen nicht nur in unserem Land. Und dafür können wir auch aus ganzem Herzen unseren HERRN loben und preisen. „Du bist meine Zuversicht, Herr, mein Gott, meine Hoffnung von meiner Jugend an.“
Gebet:
HERR, unser Gott, wir vertrauen darauf: DU hörst unsere Klagen, worunter wir leiden und schweigen und oft ratlos sind.
HERR unser Gott, wir bitten DICH: um DEIN Licht für unsere Gedanken und Gefühle, für unser Tun und Lassen.
HERR, unser Gott, DIR legen wir besonders an Herz: die Einsamen, die Verbitterten, die Sprachlosen, die Entmutigten.
HERR, unser Gott, wir bitten DICH: Schenke uns Kraft und Mut, dass durch uns Menschen aufatmen können in DEINER Liebe.
HERR, unser Gott, wir danken DIR für jedes Zeichen der Hoffnung in unserer Welt, für die Schönheit DEINER Schöpfung und das Geheimnis des Lebens.
Großer und gütiger Gott, wir loben und preisen DEINEN Namen, wie es unsere Vorfahren getan haben und unsere Nachfahren tun werden bis in Ewigkeit. Amen
Beten wir das Vaterunser:
Vater unser im Himmel
geheiligt werde Dein Name
Dein Reich komme
Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden
Unser tägliches Brot gib uns heute
Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern
Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen
Denn Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen
Es segne uns der allmächtige und barmherzige Gott, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist.
AMEN