Von Pfarrer Reichmann Pößneck

Schrifttext_Hebräerbrief 10, 35 (Lehrtext für Montag, 14.6.2021)

Werft euer Vertrauen nicht weg, welches eine große Belohnung hat.

Gedanken zum Text

Stopp, nicht wegwerfen! Halt an, denkt drüber nach, auch wenn´s nur einen Moment lang ist! Es wird so viel weggeworfen – wir werfen so viel weg – und so viel wertvolles ist noch darunter! In der Zeitung stand: Sogar 50% der Müllverbrennungsasche ist noch wiederverwertbar, weil Metalle usw. in lohnender Menge zu finden sind. Wir werfen weg, was das Zeug hält – längst nicht mehr nur materielle Dinge. „Wendehälse“ gab es nicht nur in der Wendezeit. Menschen also, die ihre Überzeugung wechseln wie andere das Hemd. Hauptsache sie haben das Gefühl, es bringt ihnen etwas. Das ist auch beim Glauben nicht anders. Vor einer Weile wollte eine junge Frau getauft werden, weil sie sich „im Westen“ in einem Kindergarten bewerben wollte – aber ohne dass sie an Gott glauben „müsse“. Nach einem ersten Gespräch im Pfarramt tauchte sie nicht wieder auf. Ebenso wenig wie ein Geflüchteter aus Afghanistan – der wollte auch unbedingt möglichst gleich getauft werden. Er glaube an Gott, wie er sagte. Aber dass wir an Jesus als Gottes Sohn glauben, war ihm dann doch nicht geheuer. Er hatte sich das viel einfacher vorgestellt mit der Taufe und dem Übertritt zum christlichen Glauben. Um einen „Glaubensübertritt“ geht es auch in dem Satz aus dem Hebräerbrief. Genauer gesagt um einen erwünschten, geforderten, erpressten Glaubensübertritt – vom Christentum zum römischen Kaiserkult. Ein enormer Anpassungsdruck lag auf den Christen, dem sicher viele nicht gewachsen waren. Denn wer kann schon auf unabsehbare Dauer Diskriminierung, Verfolgung und Willkür bis zur Todesstrafe aushalten? Wer bricht nicht zusammen, wenn es um Frau, Mann oder Kinder geht? Nein, um ein leichtfertiges Wegwerfen des Vertrauens ging es dem Schreiber des Hebräerbriefes nicht, auch nicht um persönlicher Vorteile einzelner halber.Da ging es ums Ganze: um den Fortbestand der Gemeinden in extrem bedrohlicher Zeit, in der immer mehr keine Zukunft mehr für sich sahen. Deshalb weitet der Verfasser des Briefes den Blick seiner Leser, indem er ihr gegenwärtiges Erleben in den Horizont der Heilsgeschichte Gottes mit SEINEM Volk stellt. Die in Aussicht gestellte Belohnung kann der HERR nur selbst geben – „der Seelen Seligkeit“, wie man früher so treffend sagen konnte. Und dem EWIGEN sei Dank: Auch unser Erleben als einzelne ebenso wie als Gemeinden steht im Horizont SEINER Heilsgeschichte. Darauf können wir von ganzem Herzen vertrauen.

Uhr mit Sternzeichen im Inneren der Stadtkirche Pößneck

Foto: Privat (J. Reichmann)

Gedanken zum Bild:

Ich kenne keine zwei Kirchen, die sich völlig gleichen. Jede von ihnen ist in ihrer Gestaltung einmalig und lebt davon, mit wie viel Liebe und Aufwand die Menschen sie schön gemacht haben. Mit sehr viel Liebe und Aufwand und auch enormer Fachkenntnis hat dazu auch einmal ein Uhrmachermeister in der Pößnecker Stadtkirche beigetragen. In einer Zeit, als in den evangelischen Kirchen Land auf Land ab „nach der Uhr“ gepredigt wurde. Der Pfarrer hatte in der Regel eine Sanduhr auf der Kanzel und bestimmte mit ihr die Dauer seiner Predigt. Das schien dem Uhrmachermeister zu schlicht zu sein. Er konstruierte diese große Wanduhr, deren Werk mit dem der Turmuhr gekoppelt ist. Es wäre interessant herauszufinden, ob er damit nicht sogar ein „Alleinstellungsmerkmal“ unserer Stadtkirche geschaffen hat. Einmalig ist auf jeden Fall auch der Schmuckkranz der Uhr mit den „Sternzeichen“, der schwer zu deuten ist. Stehen sie für den Jahreslauf – oder gar für Himmel und Ewigkeit? Das würde nahe liegen. Denn ich bin mir sicher, der Uhrmachermeister wollte mit seinem außergewöhnlichen Werk auch ein Zeichen seines Vertrauens in Gottes Liebe setzen.

Gebet:

HERR, unser Gott, DU Gott des Lebens, wir danken DIR, dass DU uns spüren lässt: unser Leben geschieht im Horizont DEINER Liebe, die größer ist als unsere Erfahrungen, unser Verstand und unsere Angst.

HERR, wir klagen DIR, dass so viele Menschen in unserem reichen Land diesen Horizont weggeworfen haben und sich mit selbst gemachtem Ersatz zufrieden geben. Schenke ihnen die Sehnsucht nach DEINER Liebe.

HERR, wir bitten DICH auch um Geduld mit uns. DU wartest auf uns, unsere Antwort auf DEINE Liebe. Wir stehen uns oft selbst im Weg, rechnen gar nicht mit DIR oder lassen uns ganz leicht ablenken. DU lädst uns ein und wir lassen uns bitten. Bewege unsere Herzen und Sinne zu DIR.

HERR, hilf uns zu klaren Worten, wenn es um Gerechtigkeit geht, zu einem langen Atem, wenn wir Traurigen beistehen und zu DEINER starken Hoffnung, wenn wir Verzweifelte auffangen, damit DEIN Horizont auch durch unsere schwache Kraft über ihnen aufleuchte.

Leite sie alle in DEINER Wahrheit und gewähre uns DEIN Erbarmen, dass DEIN Reich komme.

Amen